Eukratidion
Eukratidion ist eine moderne Bezeichnung[1] für die größte aus der Antike bekannte Goldmünze. Sie wurde in Baktrien im Gebiet des heutigen Afghanistan geprägt. Es ist eine 20-Stater-Münze des Königs Eukratides I. (Regierungszeit etwa 171 bis 145 v. Chr.). Das einzige bekannte Exemplar befindet sich im Cabinet des Médailles in Paris.
Auch die größten aus der Antike erhaltenen Silbermünzen sind baktrische Prägungen: Es sind Doppel-Dekadrachmen Amyntas’ I. mit einem Gewicht von 85 g und einem Durchmesser zwischen 62 und 67 mm.[2] Solche überdimensionierten Münzen waren kein normales Zahlungsmittel. Sie könnten zur Tributzahlung oder zur Belohnung für hervorragende militärische Dienste verwendet worden sein.[3]
Beschreibung
Die 20-Stater-Goldmünze hat ein Gewicht von 169,2 g und einen Durchmesser von 58 mm.[2][4] Die Vorderseite zeigt die drapierte Panzerbüste von Eukratides I. in Brustansicht nach rechts. Der Herrscher trägt eine Kombination aus Diadem (von der Königsbinde sind die am Hinterkopf herabfallenden Bänder erkennbar) und böotischem Helm mit Helmbusch. Diese Helmform, meist von der Reiterei getragen, verweist auf die makedonisch-griechische Abstammung des Eukratides.[5] Über der Schläfe sind an dem Helm Stierhorn und -ohr angebracht. Michael Pfrommer sieht darin einen Bezug auf den Gott Dionysos als mythologischen Eroberer Indiens.[6]
Auf der Rückseite sieht man die beiden Dioskuren zu Pferde, mit eingelegten Speeren, Palmwedel haltend und nach rechts reitend. Die Inschrift lautet: ΒΑΣΙΛΕΩΣ ΜΕΓΑΛΟΥ // ΕΥΚΡΑΤΙΔΟΥ (BASILEŌS MEGALOU // EUKRATIDOU) „Des großen Königs Eukratides“. Sich als „Großkönig“ zu titulieren erinnert an die Herrscher des Achämenidenreichs.[6]
Provenienz
Wie die große Goldmünze in das Pariser Münzkabinett gelangte, ist Gegenstand von Legendenbildung. 1879 erschien im American Journal of Numismatics ein namentlich nicht gezeichneter Artikel, der folgende Version der Ereignisse gab: Im Juli 1867 bot ein schäbig gekleideter Orientale in London das Eukratidion zum Verkauf an. Er erzählte, dass sieben Männer die Münze in Buchara gemeinsam entdeckt und sich einen Messerkampf bis aufs Blut darum geliefert hätten. Fünf starben; zwei blieben übrig und vereinbarten, dass einer von ihnen sie in Europa verkaufen sollte. Dieser eine sei er. Ein Londoner Numismatiker namens Lord Fox erkannte den Wert der Münze und handelte sie von 5000 Pfund auf 800 Pfund herunter. Umgehend brachte er sie nach Paris und bot sie dem französischen Museum an. Kaiser Napoleon III. erfuhr davon und veranlasste, dass sie für 30.000 Francs gekauft wurde. Damit blieb sie im Cabinet des Médailles, obwohl später 50.000 Francs für sie geboten wurden.[7]
Diese und vergleichbare Geschichten mit orientalischem Kolorit wurden in Umlauf gebracht, um zu verschleiern, dass der britische General und Münzsammler Charles Richard Fox (1796–1873) im Jahr 1840 eine Sammlung baktrischer Münzen von seinem Freund, dem Reisenden Alexander Burnes, als Geschenk erhalten hatte. Dieser hatte sie aus Buchara mitgebracht. Fox bot die 20-Stater-Münze zuerst dem British Museum an, das den Kauf aber ablehnte. Daraufhin verkaufte Fox das Stück durch Vermittlung des französischen Münzhändlers Gaston Feuardent dem Cabinet des Médailles.[8]
Weblinks
Anmerkungen
- Friedrich von Schrötter: Wörterbuch der Münzkunde. De Gruyter, 2. Auflage Berlin 1970, S. 183.
- Shane Wallace: Greek Culture in Afghanistan and India: Old Evidence and New Discoveries. In: Greece & Rome 63/2 (2016), S. 205–226, hier S. 207 f.
- Frank L. Holt: Coins: “The Great Guides of the Historian”. In: Joan Aruz, Elizabetta Valtz Fino (Hrsg.): Afghanistan: Forging Civilizations along the Silk Road. Yale University Press, New Haven/London 2012, S. 30–41, hier S. 35.
- Zum Vergleich: der 5-Unzen-Krugerrand wiegt 169,65 g bei einem Durchmesser von 50 mm.
- Osmund Bopearachchi: Monnaies gréco-bactriennes et indo-grecques. Catalogue raisonné, Paris 1991, S. 202–216.
- Michael Pfrommer: Die Gräber von Tillya-Tepe - Eine späthellenistische-frühkaiserzeitliche Nekropole zwischen achämenidischem Erbe, griechischer Tradition und nomadisch-zentralasiatischer Gegenwart. In: Bernd Funck (Hrsg.): Hellenismus. Beiträge zur Erforschung von Akkulturation und politischer Ordnung in den Staaten des hellenistischen Zeitalters. Mohr Siebeck, Tübingen 1996, S. 91–120, hier S. 109f.
- N.N.: A Coin of Eucratides. In: American Journal of Numismatics 14, 1879, S. 18–20.
- Omar Coloru: The quest for Bactra: Scholarship on the Graeco-Bactrian kingdom from its origins to the end of colonialism. In: Rachel Mairs (Hrsg.): The Graeco-Bactrian and Indo-Greek World. Routledge, London/New York 2021, S. 127–141, hier S. 135f.