Erledigungserklärung
Als Erledigungserklärung wird im deutschen Prozessrecht eine Prozesshandlung bezeichnet, mit dem ein Streitbeteiligter den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Es wird zwischen beidseitiger (übereinstimmender) und einseitiger Erledigungserklärung unterschieden.
Übereinstimmende Erledigungserklärung von Kläger und Beklagten
Eine übereinstimmende Erledigungserklärung liegt vor, wenn die Prozessbeteiligten (Kläger und Beklagter) übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben. Aufgrund der Dispositionsmaxime können sie die Rechtshängigkeit der Streitsache beenden. Der Beklagte muss in diesem Zusammenhang nicht unbedingt aktiv eine Erledigungserklärung abgeben, vielmehr greift bei fehlendem Widerspruch des Beklagten auf eine Erledigungserklärung des Klägers innerhalb einer 2-Wochenfrist ab Zustellung der klägerseitigen Erledigungserklärung die Fiktion des § 91a Abs. 1 S. 2 ZPO. Danach gilt die Erledigungserklärung des Beklagten als abgegeben, wenn er zuvor auf diese Folge hingewiesen wurde.
Das Gericht entscheidet dann nicht mehr über die Hauptsache (z. B. über einen Herausgabeanspruch), sondern lediglich über die Kosten. § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO regelt, wie die bis zum Ende der Rechtshängigkeit angefallenen Kosten (Gerichtskosten und Anwaltskosten) zu verteilen sind.
Nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ist über die Kosten durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist darauf abzustellen, wer wahrscheinlich die Kosten zu tragen gehabt hätte, wenn ein streitiges Urteil ergangen wäre (sog. "Inzidentprüfung").
Mit Bundesgerichtshof hat zu dieser Thematik folgendes entschieden (amtlicher Leitsatz):[1]
„Erklären die Parteien eine vor dem unzuständigen Gericht erhobene, in der Sache aber begründete Unterlassungsklage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, nachdem der Beklagte die Unzuständigkeit gerügt und sodann eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, sind die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten aufzuerlegen.“
Einseitige Erledigungserklärung des Klägers
Bis zum Inkrafttreten des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 zum 1. September 2004 war die einseitige Erledigungserklärung, die nur vom Kläger ausgehen kann, gesetzlich nicht geregelt. Eine einseitige Erledigungserklärung des Beklagten - d. h. ohne Zustimmung des Klägers – ist hingegen nicht möglich, weil er nicht über den Streitgegenstand verfügen darf. Trotz der fehlenden gesetzlichen Regelung war die einseitige Erledigungserklärung des Klägers allgemein anerkannt, um ihm zu ermöglichen, der zwingenden Kostentragung nach § 91 ZPO zu entgehen, wenn seine Klage ursprünglich zulässig und begründet war, d. h. vor Eintritt des erledigenden Ereignisses.
Die Erledigungserklärung des Klägers wird überwiegend als stets zulässige Klageänderung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO angesehen. Die Klage bleibt rechtshängig mit dem Antrag auf Feststellung der Erledigung. Diese Feststellungsklage, § 256 ZPO (streitiges Rechtsverhältnis = Prozessrechtsverhältnis; Feststellungsinteresse = Kosteninteresse), ist begründet, wenn die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis nachträglich unzulässig oder unbegründet wurde.
Das Problem hat sich durch die Neufassung des § 91a ZPO mit Wirkung zum 1. September 2004 weitgehend erledigt. Demnach entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen auch dann durch Beschluss, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, und er zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.
In § 91 ZPO ist jedoch nicht der Fall der einseitigen Erledigungserklärung geregelt, wenn der Beklagte nicht zustimmt. Insofern muss weiterhin auf § 264 Nr. 2 ZPO ausgewichen werden.
Lag das erledigende Ereignis zwischen Klageeinreichung (Anhängigkeit) und Zustellung (Rechtshängigkeit) - oder vor Klageeinreichung, kann die Erledigung der Hauptsache nicht durch Urteil festgestellt werden, da keine Hauptsache vorgelegen hat.
Das Gericht prüft bei der einseitigen Erklärung nur, ob ein erledigendes Ereignis stattgefunden hat, und ob die ursprüngliche Leistungsklage zulässig und begründet war. Keine Erledigung liegt vor, wenn der Beklagte nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlt.
Siehe auch
Literatur
- Matthias Niedzwicki: Aus der Praxis: Die einseitige Erledigung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren des kommunalen Beitragsrechts, in: JuS 2008, S. 983 f.
- Dieter Knöringer: Die Erledigung der Hauptsache im Zivilprozess, in: JuS 2010, S. 569 f.
Einzelnachweise
- BGH, Beschluss vom 18. März 2010, Az. I ZB 37/09, Volltext.