Einsilbler
Ein Einsilbler (auch Einsilber oder Monosyllabum genannt) ist in der Linguistik ein Wort, das aus einer Silbe besteht, im Deutschen zum Beispiel Blech (Substantiv), sein (Verb), lang (Adjektiv), wir (Pronomen), das (Artikel), dort (Adverb) oder ja (Antwortpartikel).
Zur Silbenstruktur
Die einzelnen Sprachen unterscheiden sich hinsichtlich der jeweils erlaubten Silbenstrukturen, womit der Aufbau der Silben aus den Lauten der Sprache gemeint ist. Für das Deutsche gilt, dass die Silbe im Anfangsrand bis zu 3 und im Endrand bis zu 4 Konsonanten[1] enthalten kann.[2][3] Solche Konsonantenhäufungen im Anfangs- oder Endrand der Silbe sind in vielen Sprachen nicht erlaubt. Dies ist der Grund, weshalb zum Beispiel im Japanischen aus dem deutschen Wort „Rucksack“ das Fremdwort „ryukkusakku“ geworden ist.[4]
Vorkommen in Texten und im Wörterbuch
In vielen Sprachen kann man beobachten, dass die Einsilbler in Texten häufiger vorkommen als Wörter mit 2, 3 oder mehr Silben. Dies gilt auch für das Deutsche.[5] Dies gilt für Sprachen, die zum analytischen Sprachtyp neigen; bei stärker synthetischen Sprachen wie zum Beispiel dem Finnischen[6] oder Lateinischen[7] sind in der Regel die zwei- und dreisilbigen Wörter häufiger. Die Häufigkeit, mit der Einsilbler im Verhältnis zu Wörtern anderer Länge in Texten auftreten, regelt sich nach dem Gesetz der Verteilung von Wortlängen.
Die Vorkommen von Einsilblern in Wörterbüchern sind wie folgt zu beobachten: Im Frequenzwörterbuch des Deutschen, das ja die Verhältnisse in Texten abbildet, sind ebenfalls die Einsilbler am häufigsten; in alphabetisch geordneten Wörterbüchern dagegen sind im Deutschen die dreisilbigen Wörter am häufigsten.[8] Das Gleiche gilt für das alphabetisch geordnete Wörterbuch des Niederländischen[9] und des Ungarischen.[10]
Die Analyse eines Aussprachewörterbuchs des Deutschen mit 20453 Stichwörtern ergab, dass darunter 2245 einsilbige Wörter vorkommen.[11]
Betrachtet man die unterschiedlichen Längen von Silben, gemessen etwa nach der Zahl der Phoneme je Silbe, so folgen diese dem Gesetz der Verteilung von Silbenlängen. Für das Deutsche wurde beobachtet, dass Silben zwischen 1 und 6 Phonemen enthalten können.[12][13] In den slawischen Sprachen wurden unterschiedliche Beobachtungen gemacht; so fanden sich in altkirchenslawischen Texten bis zu 4 Phoneme je Silbe, im Bulgarischen bis zu 5 sowie im Russischen und Slowenischen bis zu 6 Phoneme je Silbe.[14]
Literatur
- Helmut Glück (Hrsg.), unter Mitarbeit von Friederike Schmöe: Metzler Lexikon Sprache. 3., neu bearbeitete Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2005, ISBN 3-476-02056-8 (Artikel: „Einsilber“).
- Theodor Lewandowski: Linguistisches Wörterbuch. 4., neu bearb. Aufl. Quelle & Meyer, Heidelberg 1984. ISBN 3-494-02020-5. Artikel: „Einsilbler“.
- Thomas Stolz, Nicole Nau, Cornelia Stroh (Hrsg.): Monosyllables. From Phonology to Typology. Berlin 2012. ISBN 978-3-05-005925-9.
Einzelnachweise
- Wertet man Affrikaten nicht als 1 Laut, sondern als Lautfolge, so können im Endrand bis zu 5 Konsonanten stehen.
- Duden. Die Grammatik. 7., völlig neu erarbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Mannheim u. a. 2005, S. 40f.: Das allgemeine Silbenbaugesetz. ISBN 3-411-04047-5.
- Peter Eisenberg: Grundriss der deutschen Grammatik. Band 1: Das Wort. Metzler, Stuttgart/Weimar 1998, S. 102. ISBN 3-476-01639-0.
- Andrea Stiberc: Sauerkraut, Weltschmerz, Kindergarten und Co. Deutsche Wörter in der Welt. Herder, Freiburg/Basel/Wien 1999, S. 44. ISBN 3-451-04701-2.
- Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, ISBN 3-933043-08-5. Das Buch enthält mehrere Beiträge zu Auszählungen im Deutschen einschließlich einiger Dialekte sowie zu anderen Sprachen.
- Folke Müller: Wortlängen in finnischen E-Mails und Briefen. In: Göttinger Beiträge zur Sprachwissenschaft 8, 2001, Seiten 71–85.
- Winfred Röttger: The Distribution of Word Length in Ciceronian Letters. In: Journal of Quantitative Linguistics 3, 1996, Seiten 68–72.
- Karl-Heinz Best: Quantitative Linguistik. Eine Annäherung. 3., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2006, Seite 41f. ISBN 3-933043-17-4.
- Nicole Rheinländer: Die Wortlängenhäufigkeit im Niederländischen. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.), Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Goettingen 2001, Seiten 142–152; zum Wörterbuch Seite 148f.
- Gejza Wimmer, Reinhard Köhler, Rüdiger Grotjahn & Gabriel Altmann: Towards a Theory of Word Length Distribution. In: Journal of Quantitative Linguistics 1, 1994, Seiten 98–106; zum ungarischen Wörterbuch Seite 102.
- Paul Menzerath: Die Architektonik des deutschen Wortschatzes. Dümmler, Bonn 1954, Seite 12, 70/71.
- Karl-Heinz Best: Silbenlängen in Meldungen der Tagespresse. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, Seiten 15–32.
- Falk-Uwe Cassier: Silbenlängen in Meldungen der deutschen Tagespresse. In: Karl-Heinz Best (Hrsg.): Häufigkeitsverteilungen in Texten. Peust & Gutschmidt, Göttingen 2001, Seiten 33–42.
- Otto A. Rottmann: Syllable Length in Russian, Bulgarian, Old Church Slavonic and Slovene. In: Glottometrics 2, 2002, Seiten 87–94. (PDF Volltext)