Doktor Allwissend (Brüder Grimm)
Doktor Allwissend ist ein Schwank (ATU 1641). Er steht in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 98 (KHM 98). Dort schrieb sich der Titel Doctor Allwissend.
Inhalt
Ein armer Bauer fährt mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkauft es für zwei Taler an einen Doktor. Als er nun sieht, wie gut der Doktor lebt, beschließt er, auch einer zu werden. Er kauft sich ein ABC-Buch und nennt sich fortan „Doktor Allwissend“. Als nun einem reichen Manne eine große Summe Geldes gestohlen wird, ruft man ihn, den Diebstahl aufzuklären. Kurz darauf sitzt er mit seiner Frau bei dem Bestohlenen zum Essen. Als ein Diener den ersten Gang serviert, sagt Doktor Allwissend zu seiner Frau: „Das war der Erste“, und meint damit den ersten Gang. Der Diener jedoch, der an dem Diebstahl beteiligt war, denkt, der Doktor wolle damit andeuten, er sei der erste Dieb. Das gleiche Schauspiel wiederholt sich noch zweimal. Der Doktor soll raten, was unter einer Schüssel ist und spricht bei sich „ach, ich armer Krebs!“ Tatsächlich sind es Krebse. Da beichten die vier Diener dem Doktor ihre Untat und zeigen ihm das Geldversteck, mit der Bitte, sie nicht zu verraten. Der Doktor gibt nun dem reichen Mann sein Geld zurück, sagt aber nicht, wer es gestohlen hat. So bekommt er von beiden Seiten eine großzügige Belohnung und wird ein berühmter Mann.
Herkunft
Grimms Anmerkung notiert „Aus Zwehrn“ (von Dorothea Viehmann). Eine plattdeutsche Variante konnte ihnen nicht vollständig erzählt werden. In der „Abendzeitung 1819 Nr. 171“ lässt sich ein hungriger Köhler drei Tage beim König speisen, um Diebe herauszufinden, falls nicht, soll er sterben. Jeden Abend beim letzten Trunk sagt er: „das wäre der eine!“ Usw. Weitere Stellen: Die Zeitschrift „Casseler Bote 1822 Nr. 51“, von Weigand in Mannhardts Zeitschrift für deutsche Mythologie 3, 36–46, Straparola 13,6, persisch bei Kisseh-Khun „S. 44“.
Der Schwank steht ähnlich 1736 in Georg Christoph Ruckarts Die lachende Schule,[1] im deutschsprachigen Raum zuerst in Heinrich Bebels Libri facetiarum, noch früher bei Somadeva.[2] ABC-Bücher hatten oft einen Hahn auf dem Titel, er symbolisierte Wachsamkeit.[3]
Statt Bildung reüssiert der Schwankheld mit Bauernschläue, wie KHM 61 Das Bürle. Die Wendung, es ginge den Dieben „an den Hals“, wurde für KHM 44, 81, 192 übernommen.[4] Der Name Doktor Allwissend wurde sprichwörtlich.
Parodie
In Janoschs Parodie merkt sich die Bauersfrau die häufigsten Sätze des Doktors, womit ihr Mann und sie immer reicher und beliebter werden.[5]
Fernsehen
Der englischen Wikipedia zufolge erschien eine Variante in der ungarischen Fernsehserie Magyar népmesék als Prücsök.
Literatur
- Grimm, Brüder: Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 491–493. 19. Auflage, Artemis & Winkler Verlag, Patmos Verlag, Düsseldorf und Zürich 1999, ISBN 3-538-06943-3)
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 191, 484.
- Heinz Rölleke, Albert Schindehütte: Es war einmal … . Die wahren Märchen der Brüder Grimm und wer sie ihnen erzählte. Eichborn, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-8218-6247-7, S. 134.
Einzelnachweise
- Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe. Reclam, Stuttgart 1994, ISBN 3-15-003193-1, S. 484.
- Heinz Rölleke, Albert Schindehütte: Es war einmal … . Die wahren Märchen der Brüder Grimm und wer sie ihnen erzählte. Eichborn, Frankfurt am Main 2011, ISBN 978-3-8218-6247-7, S. 134.
- Hans-Jörg Uther: Handbuch zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. de Gruyter, Berlin 2008, ISBN 978-3-11-019441-8, S. 223.
- Lothar Bluhm und Heinz Rölleke: „Redensarten des Volks, auf die ich immer horche“. Märchen - Sprichwort - Redensart. Zur volkspoetischen Ausgestaltung der Kinder- und Hausmärchen durch die Brüder Grimm. Neue Ausgabe. S. Hirzel Verlag, Stuttgart/Leipzig 1997, ISBN 3-7776-0733-9, S. 112.
- Janosch: Doktor Allwissend. In: Janosch erzählt Grimm's Märchen. Fünfzig ausgewählte Märchen, neu erzählt für Kinder von heute. Mit Zeichnungen von Janosch. 8. Auflage. Beltz und Gelberg, Weinheim und Basel 1983, ISBN 3-407-80213-7, S. 76–82.