Der Lichtbringer
Der Lichtbringer ist der Titel eines großen, vergoldeten[1] Bronzereliefs von Bernhard Hoetger aus dem Jahr 1936 über dem Eingang zur Böttcherstraße in Bremen. Das Objekt steht unter Denkmalschutz.[2]
Die Darstellung
Das großformatige, quadratische Relief (383 × 383 cm)[3] wird dominiert von der gestreckten Figur eines lockigen, schwerthaltenden, unbekleideten Jünglings, der aus der rechten oberen Ecke diagonal herabstürzend Schwert und abweisende Hand gegen ein dreiköpfiges Schlangen- oder Drachenwesen richtet. Alle anderen Details verschwimmen im Hintergrund: Eine erregte Menge, einige Landschaftselemente, die undeutlich ausmodellierten Andeutungen von Flügeln oder eines wehenden Umhangs im Rücken des Lichtbringers und die Sonne mit ihren Strahlen.
Entstehungsgeschichte und Deutungen
Versuche zur Interpretation des an prominenter Stelle angebrachten Reliefs setzen eine Befassung mit den Entstehungsumständen voraus:
Anbringungsort ist der marktseitige Eingang zur Böttcherstraße, wo Hoetger 1927 mit einer fassadenartigen Brücke die Lücke zwischen dem Paula Modersohn-Becker-Haus (Hoetger, 1926/27) und dem Sieben-Faulen-Giebel des HAG-Hauses (Eduard Scotland, 1924–1927) geschlossen hatte. Ursprünglich bestand diese Wand nur aus detailreich modelliertem und figürlich angereichertem Backsteinmauerwerk, dessen Reste oberhalb des heutigen Lichtbringer-Reliefs noch zu sehen sind.[4]
Seit 1933 und verstärkt um 1935/36 wurden Ludwig Roselius, der Bauherr der Böttcherstraße, und Hoetger, sein führender Architekt, wegen ihrer Kunstauffassung von den Nationalsozialisten angegriffen. Vor allem Das Schwarze Korps, das Hetzblatt der SS, agitierte gegen die Spielart der dort zum Ausdruck gebrachten nordisch-romantischen Gedankenwelt. Roselius veranlasste daher, die untere Hälfte der Klinkerwand durch ein Relief von Hoetger[5] zu ersetzen, was im April 1936 ausgeführt wurde. Gegenüber Oberbürgermeister Otto Heider deutete Roselius die Darstellung so: „Den Eingang zur Böttcherstraße habe ich auf Vorschlag von Professor Horn geändert. Die dort jetzt angebrachte große Bronze stellt den Sieg unseres Führers über die Mächte der Finsternis dar.“[6] Hoetger selbst schrieb an einen Freund in der Schweiz über seinen von ihm ausdrücklich so genannten „Lichtbringer“: „Damit glaubte ich nun endlich der Welt beweisen zu können, wie sehr ich unseren Führer und seine Taten verehre … Wie gern hätten wir auf das Relief die Jahreszahl 1933 eingeschnitten, wenn wir nicht befürchtet haben müssten, man könne das als Konjekturabsicht uns unterschieben“[7]. Die anbiedernde Umgestaltung brachte weder Roselius noch Hoetger die ersehnte Anerkennung. Vielmehr griff Hitler auf dem Nürnberger Parteitag am 9. September 1936[8] „diese Art von Böttcherstraßenkultur“ schärfstens an. In die Zeit um 1936 fällt auch sowohl der Ausschluss Hoetgers aus der NSDAP als auch die Aufnahme der ganzen Böttcherstraße in die Liste der Bremer Denkmale (Unterschutzstellung am 7. Mai 1937) auf ausdrücklichen Wunsch Hitlers, der die „Bauwerke der Böttcherstraße der Nachwelt erhalten möchte als ein abschreckendes Beispiel dafür, was in der Zeit vor unserer Machtübernahme als Kultur und Baukunst ausgegeben worden sei. “[9] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gestalt überwiegend als Hl. Michael ausgegeben. Für Hoetger selbst muss das Werk große Bedeutung gehabt haben. Eine kleinere Fassung, wohl ein Entwurf für den Bronzeguss, schmückte ab 1938/1940 sein Wohnhaus in Berlin-Frohnau, Gollanczstr.40 und steht seit 1969 auf seinem Grab in Dortmund.[10]
Einzelnachweise
- Zuletzt wurde die Vergoldung 1993 erneuert. (Weser-Kurier 18. September 1993)
- Denkmaldatenbank des LfD
- Unten rechts signiert: „B. H.“. Bernhard Hoetger. Sein Werk in der Böttcherstraße Bremen, Worpswede 1994, S. 234
- Beschreibung bei Walter Edmund Wolfgang Saal: Bernhard Hoetger als Architekt des norddeutschen Expressionismus. Diss. Bonn 1989, S. 213f.
- Für die Bemerkung, dass es dazu einen Entwurf Hoetgers von 1920 gebe (Hans-Christoph Hoffmann: Bremen, Köln 1986, S. 130.) konnte bisher kein Beleg gefunden werden.
- Dieter Golücke: Bernhard Hoetger – Bildhauer, Maler, Baukünstler, Designer., Ausstellungskatalog Worpswede, 1982, S. 86
- Brief B. H. an Herbert Helfrich, Beatenberg vom 16. September 1936 , abgedruckt in: Maria Anczykowski (Hrsg.): Bernhard Hoetger, Skulptur, Malerei, Design, Architektur, Bremen 1998, S. 489
- nicht, wie zu lesen ist 1935
- Vertraulicher Bericht an die Senatoren von Oberbürgermeister Heider, 1936, Staatsarchiv Bremen, zit. nach Golücke, S. 98 und 127, Anm. 20
- Eugen Thiemann: Bernhard Hoetger, Worpswede 1990, S. 79 (mit Abb.)
Literatur
- Suse Drost: Bernhard Hoetger 1874–1949, sein Leben und Schaffen, mit Werkverzeichnis. Bremen 1974, Kat. Nr. 138
- Bernhard Hoetger. Sein Werk in der Böttcherstraße Bremen, Worpswede 1994, S. 234
- Hans-Christoph Hoffmann: Bremen, Köln 1986, S. 130
- Dieter Golücke: Bernhard Hoetger – Bildhauer, Maler, Baukünstler, Designer., Ausstellungskatalog Worpswede, 1982, S. 86
- Thomas Hirthe: Bernhard Hoetger im Nationalsozialismus, in: Maria Anczykowski (Hrsg.): Bernhard Hoetger, Skulptur, Malerei, Design, Architektur, Bremen 1998, S. 286–299.