Deese-Roediger-McDermott-Paradigma
Das Deese-Roediger-McDermott Paradigma (kurz DRM) ist ein Paradigma aus der Kognitionspsychologie. Die Erkenntnisse des DRM beruhen auf Laborexperimenten zum Thema kognitive Verzerrung in der Erinnerung und hat sich in der Gedächtnisforschung etabliert.[1]
James Deese
Der amerikanische Psychologe James Deese entwickelte 1959 ein Gedächtnisexperiment bei dem Versuchspersonen Wortlisten mit jeweils 12 verschiedenen Wörtern vorgelesen wurden. Diese Listen beinhalteten Wörter (sog. ''present words'' oder ''items'') wie "Injektion", "Spitz" und "Schmerz", jedoch nicht das konnotative Wort "Nadel" (sog. ''critical lures'' oder kritische Wörter). Nachdem er die Liste vorgetragen hatte, mussten die Teilnehmer sich an so viele Wörter wie möglich erinnern. Sie bekamen eine neue Liste mit nun mehr als 12 Wörtern und hatten die Aufgabe jene Wörter zu markieren bei denen sie sich sicher waren, diese zuvor gehört zu haben. In dieser neuen Liste tauchten die tatsächlich präsenten Wörter, sowie die kritischen Wörter auf.
Die Auswertung der Ergebnisse zeigten, dass 44 % der Wörter, die nicht vorgelesen wurden, als erinnert genannt wurden. Man spricht hier von einem sogenannten Intrusionsfehler. Deese schloss daraus, dass die kritischen Wörter eine Aktivierung des assoziativen Gedächtnisses auslösten und durch die enge semantische Assoziation der präsenten und nicht-präsenten Wörter entstanden ist. Man spricht hier auch von einer Erinnerungsverfälschung.
Henry L. Roediger und Kathleen B. McDermott
Die Erkenntnisse aus dem Experiment von Deese trafen allerdings zu seiner Zeit auf wenig gesellschaftliches Interesse. Erst als die amerikanischen Psychologen Henry L. Roediger und Kathleen B. McDermott 1995 die Experimente aufgriffen und modifizierten, folgte der Durchbruch. Sie wählten 6 Wortlisten aus Deese früherem Experiment aus und entwickelten danach ein weiteres Experiment mit dem gleichen Schwerpunkt.
Beim 1. Durchgang wurden den Teilnehmern 6 Wortlisten mit jeweils 12 Wörtern vorgelesen. Diese Wörter waren sich, wie bei Deese, semantisch ähnlich (Beispiel: „Bett“, „Kissen“, „Decke“, aber nicht das Wort „Schlafen“). Die Teilnehmer wurden darauf hingewiesen, sich so viele Wörter wie möglich zu merken und die Wortlisten wurden wieder mündlich vorgetragen.
Unmittelbar danach wurden die Teilnehmer aufgefordert, einen Rekognitionstest zu machen. Bei diesem Test wurden alle Wörter der Wortliste aufgelistet, sowie die nicht-präsenten Wörter. Die Aufgabe bestand darin, eine Bewertung der Liste vorzunehmen. Stand auf der Liste zum Beispiel das Wort „Bett“, mussten die Teilnehmer ihre Überzeugung in Punkten ausdrücken („1 = Ich bin mir sicher, das Wort wurde vorher nicht vorgetragen“ bis „4 = Ich bin mir sicher, das Wort wurde vorgetragen“).
Wieder wurden von den Versuchspersonen 40 % der kritischen, nicht-präsenten Wörter irrtümlicherweise erinnert und sie waren davon überzeugt, diese Worte zuvor gehört zu haben.
Beim 2. Experiment erstellten Roediger und McDermott 16 eigene Listen mit nun 15 Wörtern pro Liste.
Während sie sich die Wörter anhörten, folgte ein Geräusch (z. B. ein Klopfen oder ein Ton). Dieses Geräusch erschien immer in zufälliger Reihenfolge und hieß, dass die Teilnehmer nun je nach Geräusch entweder das zuvor Gehörte erinnern und aufschreiben oder eine Mathematik Aufgabe lösen mussten.
Nach diesem Prozedere folgte ein „Erinnern-oder-Wissen-Test“ („remember-know-judgement test“).
Hierbei wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie sich an die erinnerten Wörter wirklich erinnern und den Moment als sie es hörten rekonstruieren können, oder ob sie nur glauben sich zu erinnern und die Situation allerdings nicht mehr rekonstruieren können.
Bei 55 % der Listen wurden die kritischen Wörter fälschlicherweise erinnert.
Schlussfolgerungen
Deese, Roediger und McDermott wiesen hohe Raten von Intrusionen, sowie falsches Wiedererkennen mit hoher subjektiver Sicherheit nach. Es bestärkt die Annahme, dass beim Lernen von Wörtern Assoziationen im Gedächtnis zu Gedächtnisfehlern führen. Je mehr die normalen Wörter den kritischen Wörtern ähneln, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das kritische Wort fälschlicherweise als erinnert genannt wird. Es entsteht somit eine Gedächtnisillusion. Ein Modell, mit dem versucht wird, jene Ergebnisse zu erklären, ist die Activation-Monitoring Theorie. Dabei nimmt man an, dass eine automatische Aktivationsausbreitung im semantischen Netz stattfindet und sich ausbreitet auf inhaltlich verwandte Knoten (z. B. Wörter). Da die Ähnlichkeit der präsenten Wörter und den nicht-präsenten Wörtern stark ist, wird der Knoten des Zielbegriffs im Gedächtnis fälschlicherweise mitaktiviert. Gerade weil die Teilnehmer auch am Ende ihre Überzeugung auf einer Skala bewerten sollten und trotzdem auf ihrer Aussage beharrten, ist dieses Modell der Gedächtnisforschung besonders wichtig für die Rechtswissenschaft.
Siehe auch
Literatur
- James Deese: The Structure of Associations in Language and Thought Johns Hopkins University Press, Baltimore 1965
- Henry L. Roediger, Kathleen B. McDermott: Creating False Memories: Remembering words not presented in Lists. In: Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition., 1995
- Jason M. Watson, Kathleen B. McDermott, David A. Batola: Attempting to avoid false memories in the Deese/Roediger—McDermott paradigm: Assessing the combined influence of practice and warnings in young and old adults., In: Memory and Cognition, 2004
- Henry L. Roediger, Kathleen B. McDermott: Norms for word lists that create false memories., In: Memory and Cognition, 1999
Einzelnachweise
- May/June – Association for Psychological Science. Abgerufen am 21. Juni 2017 (amerikanisches Englisch).