Dean-Verfahren
Das Dean-Verfahren (auch: Divisorverfahren mit harmonischer Rundung) ist eine Methode der proportionalen Repräsentation (Sitzzuteilungsverfahren), wie sie z. B. bei Wahlen mit dem Verteilungsprinzip Proporz (siehe Verhältniswahl) benötigt wird, um Wählerstimmen in Abgeordnetenmandate umzurechnen.
Der US-amerikanische Mathematiker und Astronom James Dean hat das nach ihm benannte Verfahren im Jahre 1832 als Methode für eine bevölkerungsproportionale Verteilung der Abgeordnetenmandate im Repräsentantenhaus auf die Bundesstaaten vorgeschlagen. Es wurde zu diesem Zweck jedoch nie eingesetzt. Das Dean-Verfahren gehört zu den klassischen Sitzzuteilungsverfahren und spielt eine herausragende Rolle bei der Frage nach der optimalen Repräsentationsmethode.
Beschreibung
Die Berechnung einer Sitzzuteilung nach dem Dean-Verfahren wird im Folgenden am Beispiel einer Verhältniswahl erläutert.
Zu vergebende Sitze: 50
Abgegebene gültige Stimmen: 1000
Partei A: 450 Stimmen, Partei B: 350 Stimmen, Partei C: 199 Stimmen, Partei D: 1 Stimme
Die Stimmenzahlen der Parteien werden durch einen geeigneten Divisor geteilt. Dieser muss empirisch (durch Probieren) ermittelt werden. Als Richtgröße für den Divisor kann der Quotient aus abgegebenen Stimmen und zu vergebenden Sitzen genommen werden, im Beispiel also 20. Die sich aus der Division ergebenden Quotienten werden harmonisch auf ganze Zahlen gerundet. Wenn die Summe dieser ganzen Zahlen 50 ergibt, ist die Berechnung der Sitzzuteilung korrekt. Jede Partei erhält Sitze in der Höhe der für sie berechneten ganzen Zahl. Ergibt die Summe dieser ganzen Zahlen mehr oder weniger als 50, ist der Divisor ungeeignet und muss vergrößert bzw. verkleinert werden – so lange, bis genau 50 Sitze verteilt werden.
Harmonische Rundung: Für eine harmonische Rundung wird das harmonische Mittel der beiden Zahlen berechnet, auf die eine Zahl auf- oder abgerundet werden soll. Das harmonische Mittel bildet die Rundungsgrenze. Liegt die zu rundende Zahl über der Rundungsgrenze, wird aufgerundet, andernfalls abgerundet. Das harmonische Mittel ist definiert durch das reziproke arithmetische Mittel der reziproken Merkmalswerte (Zahlen). Das harmonische Mittel aus 2 und 3 ergibt sich demnach aus dem Kehrwert (Reziprokwert) des arithmetischen Mittels aus 1/2 und 1/3 und beträgt exakt 2,4. Die Zahl 2,41 harmonisch auf eine ganze Zahl gerundet ergibt 3. Da 2,41>2,4 ist aufzurunden (2,41 liegt über der Rundungsgrenze 2,4).
Teilung der Stimmenzahlen der Parteien durch den Divisor 20:
Partei A: 22,5; Partei B: 17,5; Partei C: 9,95; Partei D: 0,05
Die erhaltenen nicht-ganzen Zahlen werden harmonisch ganzzahlig gerundet:
Partei A: 23; Partei B: 18; Partei C: 10; Partei D: 1
Anmerkung zu Partei D: Das harmonische Mittel aus 0 und 1 ergibt sich entsprechend o. g. Regel aus dem Kehrwert des arithmetischen Mittels der Werte 1/0 und 1 und beträgt 0. D.h., jede noch so kleine Zahl > 0 wird ganzzahlig auf 1 aufgerundet. Dies hat zur Folge, dass nach dem Dean-Verfahren jede Partei bereits bei nur einer einzigen Stimme einen Sitz erhält – sofern die Anzahl der Parteien mit mindestens einer Stimme nicht größer ist als die Gesamtanzahl der zu vergebenden Sitze.
Division durch null: Zwar ist eine Division durch die Zahl Null mathematisch nicht möglich, dennoch kann der Quotient als eine Zahl der Größe "unendlich" betrachtet werden. Das harmonische Mittel aus 0 und 1 ergibt sich somit aus dem Kehrwert des arithmetischen Mittels aus "unendlich" und 1. Das arithmetische Mittel ergibt "unendlich". Sein Kehrwert ist 0.
Die Summe der harmonisch gerundeten Quotienten ergibt 52. Der Divisor von 20 ist also zu klein. Ein geeigneter Divisor ist 20,5. Es ergeben sich folgende Quotienten:
Partei A: 21,95; Partei B: 17,07; Partei C: 9,71; Partei D: 0,05
Die harmonische Rundung ergibt folgendes Sitzzuteilungsergebnis:
Partei A: 22 Sitze; Partei B: 17 Sitze; Partei C: 10 Sitze; Partei D: 1 Sitz
Höchstzahlverfahren
Alternativ kann die Sitzzuteilung nach Dean wie bei jedem anderen Divisorverfahren auch auf Basis des entsprechenden Höchstzahlverfahrens berechnet werden. Dabei werden die Stimmenzahlen der Parteien durch eine Divisorreihe geteilt. Die sich hieraus ergebenden Quotienten bezeichnet man als Höchstzahlen. Die Sitze werden in der Reihenfolge der größten Höchstzahlen an die Parteien verteilt. Dieser Algorithmus ist aufwendiger als der oben beschriebene. Der Vorteil besteht darin, dass man für den Fall einer Vergrößerung oder Verkleinerung des zu wählenden Gremiums um z. B. 1 Sitz auf den ersten Blick erkennen kann, welche Partei einen zusätzlichen Sitz erhalten würde bzw. auf einen Sitz verzichten müsste.
Die Divisorreihe für das Höchstzahlverfahren nach Dean lautet:
0; 1 1/3; 2 2/5; 3 3/7; 4 4/9; 5 5/11; 6 6/13; 7 7/15; 8 8/17; 9 9/19 usw.
Die Divisoren ergeben sich aus den harmonischen Mitteln der aufeinander folgenden Sitzansprüche. Der Divisor für den n-ten Sitz ist gleichzeitig die Rundungsgrenze zwischen dem n-ten und (n+1)-ten Sitz nach dem oben beschriebenen Algorithmus.
Division durch null: Zwar ist eine Division durch die Zahl Null mathematisch nicht definiert, dennoch kann der Quotient als eine Zahl der Größe "unendlich" betrachtet werden. Die erste Höchstzahl einer jeden Partei mit mindestens einer Stimme liegt somit bei "unendlich", so dass keine Partei – sei sie noch so groß – einen zweiten Sitz zugeteilt bekommt, bevor nicht alle anderen mit mindestens einer Stimme ihren ersten Sitz erhalten haben.
Vergleich mit dem Hill-Huntington-Verfahren
Das Dean-Verfahren generiert i. d. R. dieselbe Sitzverteilung wie das Hill-Huntington-Verfahren (Divisorverfahren mit geometrischer Rundung). Dies liegt daran, dass die Differenz des harmonischen und geometrischen Mittels zweier aufeinander folgender ganzer Zahlen sehr klein ist und mit steigender Größe der Zahlenpaare gegen null strebt. Demnach liegen die Rundungsgrenzen und die Divisorreihen für das Höchstzahlverfahren bei den beiden Verfahren sehr nah beieinander.
Zur Illustration ein Vergleich der Divisorreihen nach Dean (erster Zahlenwert) und Hill-Huntington (zweiter Zahlenwert):
0/0; 1,3333/1,4142; 2,4000/2,4495; 3,4286/3,4641; 4,4444/4,4721; 5,4545/5,4772; 6,4615/6,4807; 7,4667/7,4833; 8,4706/8,4853; 9,4737/9,4868 usw.
Die Nachkommastellen bzw. Rundungsgrenzen streben bei beiden Verfahren gegen den Nachkommawert 5, werden diesen aber nie ganz erreichen. Die Rundungsgrenze nach Dean ist stets kleiner als nach Hill-Huntington. Die Differenz liegt beim 10. Divisor nur noch bei 0,0131.