Canzun de Sontga Margriata
Das Canzun de Sontga Margriata («Lied von der heiligen Margareta») ist eines der ältesten überlieferten Lieder in rätoromanischer Sprache. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts wurde es von den Bäuerinnen Graubündens bei der Feldarbeit gesungen.
Das Lied berichtet von der Sontga Margriata, die als Mann verkleidet sieben Sommer auf der Alp arbeitete, bis ein Hirtenknabe durch einen Zufall entdeckt, dass der vermeintliche Hirte eigentlich eine schöne Frau ist und das Geheimnis unbedingt dem Sennen verraten zu müssen meint. Margriata bietet dem Knaben immer wertvollere, zauberhaftere Gaben an, doch dieser will sich nicht abbringen lassen. Da verflucht Margriata ihn, dass er drei Klafter tief in der Erde versinkt, und scheidet für immer von der Alp, wo nun die Quellen vertrocknen und die Wiesen verdorren.
Neben den Tavetscher Zaubersprüchen gehört dieses Canzun de sontga Margriata, dessen Entstehung in das frühe Mittelalter datiert wird (vgl. Tod des heiligen Gallus 640 und vor der Tätigkeit Pirmins etwa um 720 n. Chr.), zu den ältesten rätoromanischen Sprachdenkmälern.
Im Alpenraum vertritt Margareta von Antiochia eine vorchristliche Fruchtbarkeitsgöttin. So finden sich Margareta-Kapellen und Kirchen meistens ausserhalb von geschlossenen Ortschaften. Christian Caminada, Bischof von Chur und Volkskundler, verglich sie mit der germanischen Göttin Freyja.
Text und Übersetzung
Caminada dokumentierte das Margareta-Lied und übersetzte es:
Sontga Margriata ei stada siat stads ad alp, |
Die heilige Margreth war sieben Sommer auf der Alp, |
Literatur
- Paul Bänziger: Die Sommer und Winter der Sontga Margriata. IKOS, Theilingen 2002, ISBN 978-3-906473-17-8.
- Christian Caminada: Die verzauberten Täler. Die urgeschichtlichen Kulte und Bräuche im alten Rätien. Walter, Olten / Freiburg i. Br. 1961. Nachdruck: Desertina-Verlag, Disentis 1992, ISBN 3-85637-115-X.
Weblinks
- Canzun de Sontga Margriata, rätoromanischer Originaltext auf Wikisource
- Sontga Margriata, gesungen von Corin Curschellas (Video auf YouTube)
- Die alpine Göttin, Dokumentarfilm von Bertilla Giossi in der Reihe «Mysteriöse Schweiz» (6:40 min, Erstausstrahlung SF 1 am 28. Oktober 2007)
Einzelnachweise
- Die korrekte Übersetzung lautet: "Nie fünfzehn Tage weniger".