Blutgericht (Königsberg)
Das Blutgericht (Königsberg) war ein historisches Weinrestaurant, das in den Kellergewölben des Nordflügels vom Königsberger Schloss untergebracht war. Der Hintergrund der Namensgebung ist unbekannt, bezieht sich aber vermutlich auf die mittelalterliche Blutgerichtsbarkeit der Landesherren von Preußen.
Geschichte
Als das Salzburger Emigrationspatent von 1731 David Schindelmeißer zwang die Heimat zu verlassen, siedelte er sich als Salzburger Exulant in Königsberg an. Er gründete 1738 das Weinlokal im Schloss, das von den Königsbergern, den Studenten und vor allem von Besuchern der Stadt gern besucht wurde.
Hierzu mussten die Besucher im Innenhof des Schlosses einen kleinen, unscheinbaren Kellereingang unterhalb des Marstalles betreten, über dem ein schräges, provisorisch wirkendes Abdach angebracht war. Das gesamte Lokal war in den breitspannenden Tonnengewölben eingerichtet. Die grottenartigen Räume des unterirdischen Katakombenlabyrinths hatten Namen, die an Folterkammern des Mittelalters erinnerten: Marterkammer, Peinkammer, Diebesgefängnis, Pfefferstub, Große Glocke oder Spanische Nadel usw. Zum unverwechselbaren Charme der Weinschänke gehörten neben der kühlen Feuchte der Kelleratmosphäre auch das grobe hölzerne Mobiliar wie auch das passende Interieur von radartigen, schmiedeeisernen Wandleuchtern und großen kunstvoll geschnitzten Prunkfässern im Hintergrund sowie die Modelle von alten Hansekoggen an der Decke. Die „Krupsch“ war die Kleidung der Kellner, die die Gäste stilecht wie Küfer eines Weinkellers in blauen Kitteln mit vorgebundener Lederschürze bedienten.[1]
Bis April 1945 wurde das Blutgericht gastronomisch genutzt. Nach Eroberung der Stadt Königsberg durch die Rote Armee wurden die Kellergewölbe des Blutgerichts gesprengt und mit dem übrigen Schloss 1969 abgetragen.
Das Blutgericht war nicht nur die erste Lokalität am Platz, sondern auch international so bekannt wie Auerbachs Keller in Leipzig oder der Schweidnitzer Keller in Breslau. Zu den Gästen gehörten E.T.A. Hoffmann, Richard Wagner, Lovis Corinth, Felix Dahn, Thomas Mann, Joachim Ringelnatz, Paul Wegener, Heinrich George, Fritz Skowronnek, Ernst von Wolzogen, Felix Graf Luckner, Prinz Heinrich von Preußen und Gustav Stresemann. Später wurde das Weinlokal zum Restaurant erweitert. Neben Königsberger Klopsen und Königsberger Fleck war Ochsenblut die Spezialität. Zur „Unterhaltung“ der Gäste wird auch die Tatsache beigetragen haben, dass im Obergeschoss des Gebäudes das Oberlandesgericht Königsberg tagte.
1949 meldete eine Zeitung, dass die Erben der Familie Schindelmeißer planten, einen Nachfolger des Lokals unter gleichem Namen in Frankfurt am Main zu eröffnen[2]. Ob dies umgesetzt wurde und wie lange diese Neugründung bestand, ist unbekannt.
Erinnerung an Königsberg
Siegfried Schindelmeiser (1901–1986) schrieb in den 1970er Jahren das (ungesungene) Studentenlied Erinnerung an Königsberg.[3] Singen lässt es sich nach Heidelberg du Jugendbronnen oder Nicht der Pflicht nur zu genügen.
Königsberg am Pregelstrande, |
Wo in Gärten Mädchen sitzen, |
Doch im Schloß im kühlen Keller |
Literatur
- Richard Armstedt: Geschichte der königl. Haupt- und Residenzstadt Königsberg in Preußen. Hobbing & Büchle, Stuttgart 1899 (Deutsches Land und Leben in Einzelschilderungen. 2, Städtegeschichten), (Nachdruck: Melchior-Verlag, Wolfenbüttel 2006, ISBN 3-939102-70-9 (Historische Bibliothek)).
- Walter Franz: Vom Blutgericht zu Königsberg, 2. Auflage. Milte, Heidelberg 1970.
- Paul Züge: Im Blutgericht zu Königsberg. Königsberg i. Pr. 1928
Weblinks
Einzelnachweise
- Robert Albinus: Königsberg-Lexikon. Stadt und Umgebung. Flechsig, Würzburg 2002, ISBN 3-88189-441-1.
- Blutgericht entsteht in Frankfurt neu, in: Wir Ostpreußen, Jg. 1, Nr. 4 (15. März 1949), S. 4
- Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg i. Pr., 2 Bände. München 2010, ISBN 978-3-00-028704-6. GoogleBooks