Battered-Child-Syndrom
Das Battered Child Syndrom (BCS) (von englisch battered child, etwa: „schlimm zugerichtetes Kind“, „verprügeltes Kind“, „misshandeltes Kind“) wird meistens unter der Bezeichnung Kindesmisshandlung geführt, unterliegt aber einer medizinisch eindeutigeren Definition: Das BCS definiert sich als nicht unfallbedingte, aber gewaltsam verursachte körperliche oder seelische Schädigung eines Kindes durch aktives verletzendes Verhalten oder durch unterlassenen Schutz durch ein Familienmitglied oder eine Eltern-/Erwachsenen- oder Betreuungsperson.
Klassifikation nach ICD-10 | |
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T74.1 | Körperlicher Missbrauch Kindesmisshandlung o.n.A. |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Begriffsgeschichte
1946 beschrieb der amerikanische Kinderradiologe John Caffey in einem Artikel sechs Fälle, in denen Eltern „Geschichten“ erzählten, die nicht auf die Umstände von auf Röntgenaufnahmen erkennbaren Verletzungen eingingen. Caffey spekulierte in dem Artikel über die Ursachen, konnte diese aber nicht zufriedenstellend erklären. Der Artikel erschien in einem Fachjournal für Radiologie und so geschah nichts bis Mitte der 1950er. 1953 beschrieb Silverman drei Fälle in einem Artikel. 1955 wurden weitere zwölf Fälle durch Wooley und Evans beschrieben. Im Oktober 1961 wurde schließlich auf einer Tagung der American Academy of Pediatrics in einer von Frederick Silverman geleiteten Podiumsdiskussion unter der Bezeichnung Battered Child Syndrom diskutiert. Als Vorbereitung für diese Diskussion waren in einer US-weiten Umfrage 77 Staatsanwälte und 71 Krankenhäuser befragt und 749 Fälle identifiziert worden.[1]
Die Veröffentlichung dieser Podiumsdiskussion im Journal of the American Medical Association führte unmittelbar zu einer Reaktion in der Öffentlichkeit. Innerhalb kürzester Zeit verabschiedeten alle 50 Staaten der USA Gesetze, nach denen Verdachtsfälle meldepflichtig wurden. Mit verbesserten Meldungen schätzte man 1967 die Anzahl auf 7.000 Fälle.[1] Diese Schätzung wurde 1972 auf 60.000 und 1976 auf 500.000 korrigiert.[2]
Es hatte 15 Jahre gedauert, bis das Problem in der Medizin allgemein wahrgenommen, und 25 Jahre, bis das Ausmaß des Problems bekannt wurde. Der amerikanische Organisationspsychologe Karl E. Weick leitet mit dem BCS-Beispiel die Erklärung des Konzeptes Sensemaking ein.[1]
Einzelnachweise
- Karl E. Weick: Sensemaking in Organizations. Sage Publications, London 1995, ISBN 0-8039-7177-X, S. 1–2.
- R. Westrum: Social intelligence about hidden events. In: Knowledge. 3(3), (1982), S. 381–400; zitiert in Karl E. Weick: Sensemaking in Organizations. Sage Publications, London 1995, S. 2.