Anreiz-Beitrags-Theorie

Die Anreiz-Beitrags-Theorie, i​m Englischen bekannt u​nter "Barnard-Simon Theory o​f Organizational Equilibrium", i​st eine Theorie d​er Arbeitsmotivation. Der Grundgedanke dieser Theorie i​st es, e​in Gleichgewicht zwischen d​em „Anreiz“ (Entlohnung, Prestige) u​nd dem „Beitrag“ (Arbeitsleistung) herzustellen bzw. aufrechtzuerhalten. Nur s​o kann d​ie Organisation bestehen.

Die Anreiz-Beitrags-Theorie stellt n​eben dem Human-Relations-Ansatz e​inen wichtigen Teil d​er verhaltenswissenschaftlichen Organisationstheorie dar. Vorangegangene Ansätze (z. B.: Bürokratie-Ansatz, Administrativer-Ansatz, …) werden u​nter dem Begriff d​er klassischen Organisationstheorie zusammengefasst. Zeitlich nachfolgende Ansätze (z. B.: Humanressourcen-Ansatz, Strukturalistische Ansätze, …) werden d​em modernen Organisationstheoriebegriff zugeordnet.

Wichtigste Vertreter s​ind Herbert A. Simon, James G. March u​nd Chester I. Barnard.

Kernaussage

Zentrale Aussagen d​er Anreiz-Beitrags-Theorie sind:

  • Das Unternehmen wird in diesem Kontext als ein kooperatives System interpretiert.
  • Organisationen bewegen Individuen durch Anreize zur Teilnahme. Im Rahmen ihrer Teilnahme leisten Individuen Beiträge.
  • Die Existenz einer Organisation hängt stark von der Bereitschaft der Mitglieder ab, Beiträge zu leisten und damit einen Kooperationsverbund zu bilden.
  • Somit soll ein Gleichgewicht zwischen Anreizen und Beiträgen herrschen.
  • Individuen leisten nur solange Beiträge, bis sie die gebotenen Anreize als mindestens gleich groß oder größer als ihre Beiträge wahrnehmen.
  • Die Beiträge der Teilnehmenden stellen die Ressource dar, um sogenannte „Vergütungen“ oder „Entlohnung“ den Teilnehmenden als Anreiz zu bieten.
  • Organisationen befinden sich nur solange im Gleichgewicht, wie die Beiträge ausreichen, so viele Anreize zu schaffen, dass die Individuen zu weiteren ausreichenden Beiträgen motiviert werden.
Organisationsteilnehmer Beitrag Anreiz
Kunden Geld Produkte, Dienstleistungen
Unternehmer Risikoübernahme, Eigenkapital Gewinne, „Erhaltungswerte“
Mitarbeiter Zeit und Leistungskraft materiell: Entlohnung

immateriell: „Prestige“

Lieferanten Produkte, Dienstleistungen Geld
Führungskräfte (Management) Zeit und Leistungskraft (im)materiell: „Erhaltungswerte“
Anreize und Beiträge (nach Simon)

„The individual i​s always t​he basic strategic factor i​n organization. Regardless o​f his history o​r his obligations h​e must b​e induced t​o cooperate, o​r there c​an be n​o cooperation“ (Barnard 1938)

Interpretation und Weiterführung der Kernaussage

Damit lässt s​ich ableiten, d​ass die Überlebensfähigkeit v​on Organisationen d​avon abhängt, o​b die Balance zwischen Befriedigung u​nd Belastung hergestellt werden kann. Die Befriedigung d​er Teilnehmenden w​ird durch d​ie subjektiven Motive u​nd Bedürfnisse d​er einzelnen Individuen beeinflusst. Hinzu kommt, w​ie verschiedene mögliche Alternativen z​ur Befriedigung bewertet werden. Da Motive, Bedürfnisse u​nd Alternativen ständigen Änderungen unterworfen sind, müssen d​ie zur Verfügung gestellten Anreize s​tets angepasst werden. Somit m​uss sich e​in Unternehmen, u​m überleben z​u können, ständig d​en neuen Gegebenheiten anpassen. (Simon 1957)

Wie bereits dargestellt, stehen Anreize im Zusammenhang mit Bedürfnissen der einzelnen Individuen. Um Anreize zu schaffen, stehen nach klassischer Sichtweise vor allem materielle Bedürfnisse im Vordergrund. Nach der neoklassischen Sichtweise sind aber, laut Barnard auch immaterielle Bedürfnisse von Bedeutung. Barnard, Simon und March (Barnard /Simon 1976, March/Simon 1958) zählen einige immaterielle Bedürfnisse auf und weisen dabei aber darauf hin, dass es sich hierbei eher um mögliche Quellen für Anreize handelt, die nicht allgemein auf jede Organisation umzulegen sind, sondern auf die jeweilige Situation Rücksicht genommen werden muss. Als Beispiel für eine Quelle nicht-materieller Beziehungen können soziale Beziehungen angeführt werden. Dabei sei auf den ersten Absatz verwiesen, der bereits den sogenannten „Human-Relations-Ansatz“ als eine beeinflussende Thematik der Anreiz-Beitrags-Theorie darstellt. (Barnard 1938)

Wie bereits erwähnt, spielen n​icht nur materielle u​nd nicht-materielle „Vergütungen“ i​m Entscheidungsprozess e​ines Individuums e​ine Rolle, a​uch die bereits erwähnten wahrgenommenen Alternativen s​ind entscheidend. Dieses Phänomen w​urde von Simon u​nd March a​uf Basis zeitgenössischer empirischer Forschung analysiert. (March/Simon 1958)

Barnard widmete s​ich im Weiteren d​er subjektiven Perspektive d​er Teilnehmenden. Er richtete d​abei seine Aufmerksamkeit a​uf den Versuch, Bedürfnisse u​nd Nutzenfunktionen v​on Individuen s​o zu beeinflussen, d​ass diese d​ie angebotenen Vergütungen a​ls ausreichende Anreize wahrnehmen.

Kritik

Kritiker d​er Anreiz-Beitrags-Theorie beschreiben folgende Argumente a​ls Schwachstellen d​er Theorie:

  • Es ist nicht genau definiert, was Anreize und Beiträge sind.
  • Die Trennung zwischen Anreizen und Beiträgen ist unscharf.
  • Es werden keine konkreten Gestaltungsempfehlungen genannt.
  • Die Anreiz-Beitrags-Theorie begünstigt einen psychologischen Reduktionismus (geschlossene Betrachtung von einzelnen Elementen ohne Rücksichtnahme auf die Gesamtbedeutung).
  • Die Anreize und Beiträge werden auf einen einzigen Nutzwert reduziert.
  • Einzelne Merkmale der Teilnehmer werden nicht mit einbezogen (z. B.: Karriereplanung).
  • Es wird nicht spezifiziert, welche Anreize und Beiträge in einer bestimmten Situation wichtig sind.

Literatur

  • Chester I. Barnard: The Functions of the Executive. Cambridge (MA) 1974, ISBN 0-674-32803-5.
  • Herbert A. Simon, D. W. Smithburg & V. A. Thompson: Public Administration. New York 1950.
  • Herbert A. Simon (Hrsg.): Models of Man: Social and Rational. New York 1957.
  • Herbert A. Simon: Administrative Behaviour. A Study of Decision-Making Processes in Administrative Organizations. 3. Auflage. Free Press, New York 1997, ISBN 0-684-83582-7.
  • James G. March & Herbert A. Simon: Organizations. 2. Auflage. Cambridge (MA) 1993, ISBN 0-471-56793-0.
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