Anchcherednefer
Anchcherednefer[2] (auch Anchrenepnefer[3] oder Anchscherinefer) war in der Regierungszeit von Osorkon II. (880 - 851 v. Chr.) ein altägyptischer hochpositionierter Beamter. Er ist auf einer Statue belegt, die sich im British Museum zu London (BM 1007) befindet, die 1883 von Édouard Naville in Tell el-Maschuta gefunden wurde. Die Statue ist eine Hockfigur mit einem Naos vor seinen Beinen und darin eine hockende Figur des Gottes Atum. Die glatte Perücke ist mit einem in Hochrelief ausgearbeiteten Skarabäus auf dem Scheitel geschmückt, beiderseits des Gesichtes befinden sich symmetrisch angeordnete Reliefdarstellungen der Totengottheiten Osiris beziehungsweise Sokar.
Anchcherednefer in Hieroglyphen | |||||||||||
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Beamter unter Osorkon II. |
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1. Beamtentitel |
Rudu-aa-en-ah Rwḏw-ˁ3-n-ˁḥ Großer Inspektor des Palastes | ||||||||||
2. Beamtentitel |
[Se]cha-nefer-[n]-per-Tem-neb-ain Sḫ3-nfr-n-pr-Tm-nb-ˁjn Guter Notizenschreiber des Tempels des Atum, Herr von Tura[A 1] | ||||||||||
3. Beamtentitel |
Heri-idenu-en-per-aa Ḥrj-jdnw-n-pr-ˁ3 Oberster Leutnant des Pharao | ||||||||||
Statue des Anchcherednefer
Beide Seiten der Figur des Anchcherednefer waren flankiert mit den Göttertriaden Amun-Re, Mut und Chonsu sowie Harmachis, Schu und Tefnut:
„Amun-Re, Mut und Chonsu gewähren, dass der Name Anchcherednefer, der gute Notizenschreiber des Atum, dem Herrn von Tura, ewig dauern möge. Harmachis, Schu und Tefnut gewähren, dass der Name großer Inspektor des Palastes, … guter Notizenschreiber des Gebietes von Atum, dem Herrn von Tura, ewig bleiben wird.“
Auf der Fläche zwischen seinen beiden Händen ist die Figur eines Kindes (auch chered zu lesen) eingeritzt. Es hält ein Nefer- und ein Anch-Zeichen in den Händen und stellt spielerisch den Namen Anchcherednefer dar. Eine biographische Inschrift auf der Statue lautet:
„Ich war einer, der sich frei bewegte [im] abgeschiedenen Palast. Ich war angenehm für meinen Herrn, weil ich (gut) erzogen worden war. [Ich] trat ein bei ihm an der Spitze der Höflinge und des Dreißigrates, indem ich um (?) die Stimme des Horus bat zu dem Gesagten. Ich kam heraus mit seinem Befehl, die Not vertreibend und Äußerungen des Streites beruhigend. Mein Mund war beharrlich darin [beim vertreiben der Lüge ? …ich war wie …] sein (des Königs) Sohn, wenn er gehorcht und Gutes tut für seinen Vater [in] Pithom. Der Lohn dafür sei ein Sed-Fest für den König, den Horus, den Erben des Re (Osorkon, geliebt von Amun, Sohn der Bastet). Ich fand meinen Weg...“
Die Statue ist das wichtigste, weil am besten erhaltene und sicher datierte Beispiel für die unterägyptische Privatplastik der 22. Dynastie, an das inschriftlich nicht durch Königsnamen datierte Rundbilder, wie etwa die Statuen des Paanmeni, angeschlossen werden.
Historische Bedeutung
Édouard Naville vermutete aufgrund der Texte und anderer Funde, dass der Ort Tell el-Maschuta mit dem biblischen „Pitom/Pithom“ unter Ex 1,11 gleichgesetzt werden könne. In der Vergangenheit erfolgten deshalb kontroverse Diskussionen über die Frage, ob Tell el-Maschuta mit „Pitom/Pithom“ oder Sukkot zu identifizieren sei. Weitere archäologische Untersuchungen konnten jedoch zweifelsfrei belegen, dass Tell el-Maschuta als „neues Pitom/Pithom“ erst unter dem Pharao Necho II. um etwa 610 v. Chr. gegründet wurde, nachdem der Ort seit Ende der Zweiten Zwischenzeit (etwa 1550 v. Chr.) aufgrund der von Kamose und Ahmose I. erfolgreichen Vertreibung der Hyksos unbewohnt blieb.[6]
Mit der Neugründung von Tell el-Maschuta wurde wahrscheinlich die Festungsstadt Tell er-Retaba zeitgleich von den Bewohnern verlassen. Die Straten zeigen, dass Tell er-Retaba von etwa 600 v. Chr. bis mindestens 400 v. Chr. ohne Besiedlung blieb. Da die Statue des Anchcherednefer in die Zeit 880 - 851 v. Chr. datiert, wird als ursprünglicher Aufstellungsort nun Tell er-Retaba vermutet, das während der Ramessiden- und Spätzeit durchgehend besiedelt war. Nach der Neugründung von Tell el-Maschuta muss die Statue des Anchcherednefer dorthin transportiert worden sein. Die Statue des Anchcherednefer ist hinsichtlich der Thematik der biblischen Überlieferung vom Auszug aus Ägypten daher im Zusammenhang des ursprünglichen Aufstellungsortes ein wichtiger chronologischer Beleg, da Tell el-Maschuta als „Ort des Auszugs aus Ägypten“ beziehungsweise als „ramessidisches „Pitom/Pithom“ in der Nähe von Pi-Ramesse“ ausscheidet.[7]
Siehe auch
Literatur
- Édouard Naville: The Store-city of Pithom and the Route of the Exodus. Erstausgabe, Trübner, London 1885, S. 13–14 mit englischer Übersetzung, Frontispiz, Text auf Tafel IV, online (Erstveröffentlichung)
- Karl Jansen-Winkeln: Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie. Teil 1: Übersetzung und Kommentar. Harrassowitz, Wiesbaden 1985, S. 269–71 ISBN 3-447-02525-5 (Übersetzung der biographischen Angaben auf dem Rückenpfeiler).
- Karl Jansen-Winkeln: Inschriften der Spätzeit. Bd. II: Die 22.-24. Dynastie. Harrassowitz, Wiesbaden 2007, ISBN 978-3-447-05582-6, S. 126–127 (hieroglyphischer Text).
- Helmut Brandl, Karl-Jansen-Winkeln: Fünf Denkmäler des Obersten Arztes Pa-an-meni aus der 22. Dynastie. In: Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Abteilung Kairo. Bd. 64, 2008, S. 20–22, Tafel 14b. (online auf academia.edu).
- Helmut Brandl: Untersuchungen zur steinernen Privatplastik der Dritten Zwischenzeit. Typologie, Ikonographie, Stilistik. MBV, Berlin 2008, ISBN 978-3-86664-482-3, S. 81–82, 314, 328–330, Tafel 36–37, 156c, 162e, 180c (zugleich: Dissertation, Humboldt-Universität Berlin 2003).
Weblinks
Anmerkungen
- Der Gott ist im Original mit Doppelkrone und ohne Szepter wiedergegeben. In der Inschrift wurde die Gottheit Atum auch als Herr von An (Tura) betitelt. An konnte mit dem Ort Tura archäologisch identifiziert werden; gemäß Kathryn A. Bard, Steven Blake Shubert: Tell el-Maskhuta In: Encyclopedia of the Archaeology of ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 958.
Einzelnachweise
- Lesung des Namens nach Hermann Ranke: Die Ägyptischen Personennamen. Bd. I, Augustin, Glückstadt 1935, S. 66, Nr. 8 (online als PDF).
- Hermann Ranke: Die Ägyptischen Personennamen. Bd. I, Glückstadt 1935, S. 66, Nr. 8.
- nach É. Naville: The Store-city of Pithom. London 1885, S. 13–14.
- Übersetzung nach É. Naville: The Store-city of Pithom. London 1885, S. 14.
- Übersetzung nach Janssen-Winkeln: Ägyptische Biographien der 22. und 23. Dynastie. Teil 1, Wiesbaden 1985, S. 269–70 und É. Naville: The Store-city of Pithom. London 1885, S. 14.
- John S. Holladay: Tell el-Maskhuta. In: Kathryn A. Bard, Steven Blake Shubert: Encyclopedia of the archaeology of ancient Egypt. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18589-0, S. 786–789.
- Daniel I. Block, Bryan H. Cribb, Gregory S. Smith: Israel: Ancient Kingdom or Late Invention? B & H Publications, Nashville 2008, ISBN 0-8054-4679-6, S. 115–120.