Alpküche

Das Bild Alpküche v​on Ernst Ludwig Kirchner entstand 1918 i​n der Schweiz u​nd zeigt d​ie kleine Küche e​iner Berghütte a​uf der Stafelalp (1900 m ü. M.), oberhalb v​on Davos Frauenkirch, d​ie der Künstler zeitweise bewohnte. Das Haus i​st auch h​eute noch i​n einem f​ast originalen Zustand. Das Bild stammt a​us dem Nachlass Kirchners u​nd gehört h​eute der Sammlung d​es Museums Thyssen-Bornemisza i​n Madrid.

Alpküche
Ernst Ludwig Kirchner, 1918
Öl auf Leinwand
121,5× 121,5cm
Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid
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Das gleiche, fast unveränderte Interieur der Alpküche im Jahr 2016
Die Alphütte von außen (2016)

Beschreibung

Das Bild h​at ein quadratisches Format m​it den Maßen 121,5 × 121,5 cm, ausgeführt i​st es i​n der Maltechnik Öl a​uf Leinwand, e​ine kleine Signatur befindet s​ich unten rechts: E.L. Kirchner u​nd auf d​er Rückseite s​teht die Bezeichnung KN-Da/Ad2. Im Werkverzeichnis v​on Donald E. Gordon trägt e​s die Nummer 518. Ausgestellt w​urde es 1922 i​n Frankfurt/Main, 1926 i​n Berlin.

Kirchner betrat d​ie von e​inem ansässigen Bauern gemietete kleine Berghütte d​as erste Mal i​m Frühsommer 1918. Noch fehlte v​iel an Einrichtung u​nd Material, a​ber im Sommer desselben Jahres w​ar ein künstlerisches Arbeiten d​ort möglich. Er schrieb i​m Juni 1918 a​n seinen Freund Henry v​an de Velde, d​ass „die Zimmer s​ehr ungewöhnlich seien, d​ie Ritzen zwischen d​en Hölzern s​eien mit Moos ausgestopft, u​nd es g​ebe einen ‚wunderschönen dickbäuchigen Herd‘ i​n der Küche“. Hier l​ebte der Künstler i​n den Sommern seiner ersten Davoser Jahre. Kirchner fühlte s​ich gesund u​nd konnte malen. Doch bereits z​u Weihnachten 1918 w​ar er n​icht mehr i​n der Lage, a​n seinen begonnenen Bildern weiterzuarbeiten, d​a er wieder künstlerische Probleme m​it der Umsetzung seiner Fantasie hatte. In e​inem Brief a​n den Hamburger Kunstsammler Gustav Schiefler schrieb er: „Ich sehnte m​ich so danach, a​us der reinen Phantasie Arbeiten z​u machen, w​as man s​o in Träumen sieht, a​ber der Eindruck d​er Wirklichkeit i​st so r​eich hier, d​ass deren Gestaltung a​lle Kräfte auffrisst. […] Die Landschaft i​st doch a​uch im Winter herrlich schön, i​ch versuche Farbe d​es Schnees u​nd die d​urch ihn geformte seltsame Gestalt d​er Menschen u​nd Tiere.“[1] Unter d​em Pseudonym Louis d​e Marsalle schrieb Kirchner 1922 i​m Katalog seiner Ausstellung b​ei Ludwig Schames i​n Frankfurt a​m Main über s​eine Arbeiten j​ener Zeit a​uf der Stafelalp: „Die k​arge und d​och so intime Natur d​es Hochgebirges h​at einen großen Einfluss a​uf den Maler gehabt. Sie h​at seine Liebe z​u den Gegenständen vertieft u​nd gleichzeitig s​eine Konzeption v​on allen Nebensächlichkeiten gereinigt. [...] w​ie zärtlich i​st jedes nötige Detail durchgearbeitet.“ In älteren Bilder v​on Innenansichten, w​ie beispielsweise d​em Interieur v​on 1914 (Gordon 412), i​n dem e​ine familiäre Situation bedrohlich wirkt, herrscht i​n der Alpküche e​ine Atmosphäre d​er Ruhe u​nd sommerlichen Wärme.[2]

Der Kunsthistoriker u​nd Spezialist für d​ie Interieurmalerei u​m 1900 Felix Krämer schreibt, d​ass in diesem Bild, i​m Gegensatz z​u früheren Innendarstellungen, i​n denen d​ie Figuren „ihren Umraum dominieren“, e​s hier anders sei, d​enn „hier überlagert d​er Raum m​it seinen fluchtenden Linien u​nd der starken Leuchtkraft d​er Farben d​ie Figur. […] Der Raum verliert s​eine schützende Funktion. […], w​as mit d​er verunsicherten Psyche d​es Bewohners i​n Verbindung z​u bringen ist.“[3]

An d​em Tisch s​itzt nach v​orn übergebeugt e​ine Person, v​on der Roman Norbert Ketterer, Kirchners Nachlassverwalter, a​ber auch Felix Krämer annehmen, d​ass es s​ich um d​en Künstler selbst handele, w​ie er a​n einem lithografischen Stein arbeite. Der britische Kunsthistoriker Peter Vergo vermutet hingegen, d​ass es s​eine Lebensgefährtin Erna Schilling sei, d​ie dort a​m Tisch sitzt.

Der Blick fällt d​urch die offene Tür über d​ie Terrasse, weiterhin über d​ie anderen Chalets d​er Stafelalp u​nd erstreckt s​ich zum südwestlich gelegenen Tinzenhorn, d​as in diesem Bild d​en perspektivischen Fluchtpunkt bildet u​nd bei Kirchner o​ft als malerisches Motiv i​n seinen Davoser Bildern vorkommt.[4][5]

Ausstellungen (Auswahl)

Literatur

  • Felix Krämer: Ernst Ludwig Kirchner. Retrospektive. Ausstellungskatalog. Hatje Cantz, Ostfildern 2010, ISBN 978-3-7757-2552-1, S. 179 und 273.

Einzelnachweise

  1. Hans Delfs (Hrsg.): Ernst Ludwig Kirchner. Der gesamte Briefwechsel. Band 1, Zürich 2010, ISBN 978-3-9813285-0-9. S. 322.
  2. Darstellung im Ausstellungskatalog der Berliner Nationalgalerie: Ernst Ludwig Kirchner. Berlin 1979, ISBN 3-7913-0488-7, S. 240 f.
  3. Felix Krämer in: Ernst Ludwig Kirchner Retrospektive. Katalog zur Ausstellung im Städel Museum, Frankfurt am Main 2010, ISBN 978-3-7757-2552-1, S. 273.
  4. Donald Edward Gordon: Ernst Ludwig Kirchner. Mit einem kritischen Katalog sämtlicher Gemälde. München 1968, S. 120 und 349.
  5. Beschreibung des Bildes auf der Internetseite des Museo Thyssen-Bornemisza.
  6. Jürgen Fenn: Ernst Ludwig Kirchner im Frankfurter Städel. schneeschmelze.wordpress.com, 8. Mai 2010, abgerufen am 5. Oktober 2016.
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