15. Sinfonie (Haydn)
Die Sinfonie D-Dur Hoboken-Verzeichnis I:15 komponierte Joseph Haydn im Jahr 1761.
Allgemeines
Die Sinfonie Hoboken-Verzeichnis I:15 komponierte Joseph Haydn im Jahr 1761.[1] Eine Aufführung der Sinfonie Nr. 15 war möglicherweise der Anlass für Haydns Einstellung bei Fürst Paul Anton Esterházy am 1. Mai 1761.[2] Nach anderer Ansicht handelt es sich bei den Sinfonien Nr. 3 und Nr. 15 um vermutlich die ersten für die Esterházysche Kapelle komponierten Sinfonien. Für die Sinfonie Nr. 15 wird durch die langsame Einleitung und die Soli im Trio des Menuetts eine Nähe zur Sinfonie Nr. 25 gesehen.[3]
„(...) Dem kräftigen Menuett und seinem reizenden Trio, in dem die Violinen den Violen und Violoncells gegenüber ein artiges Frag- und Antwortspiel führen, haben die Jahre nichts angethan; dasselbe gilt von dem nun folgenden lieblichen Andante für Streichinstrumente, dessen Thema sich wie eine Perlenschnur in der ungezwungensten Weise in seine einzelnen Motive auflöst und wiederholt sich zu wirksamer Steigerung erhebt. Der muntere Schlußsatz, Presto (…) hat einen interessanten Mittelsatz, d-moll, in dem die erste Violine ein neues Motiv durchführt, während die zweite Violine unausgesetzt in Sechzehnteln begleitet und nur Viola und Baß ihre Ruhe zu wahren wissen. Alles in Allem zeichnet sich diese Symphonie durch Reichthum an Ideen und deren gewandte Durchführung besonders aus.“[4]
Zur Musik
Besetzung: zwei Oboen, zwei Hörner, zwei Violinen, Viola, Viola Solo, Cello, Cello Solo, Kontrabass. Zur Verstärkung der Bass-Stimme wurde damals auch ohne gesonderte Notierung ein Fagott eingesetzt. Über die Beteiligung eines Cembalo-Continuos in Haydns Sinfonien bestehen unterschiedliche Auffassungen.[5]
Aufführungszeit: ca. 20 Minuten (je nach Einhalten der vorgeschriebenen Wiederholungen)
Bei den hier benutzten Begriffen der Sonatensatzform ist zu berücksichtigen, dass dieses Schema in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entworfen wurde (siehe dort) und von daher nur mit Einschränkungen auf ein 1761 komponiertes Werk übertragen werden kann. – Die hier vorgenommene Beschreibung und Gliederung der Sätze ist als Vorschlag zu verstehen. Je nach Standpunkt sind auch andere Abgrenzungen und Deutungen möglich.
Erster Satz: Adagio – Presto – Adagio
Die Rahmung eines schnellen Satzteils durch zwei langsame Adagios ist in Haydns gesamten sinfonischen Schaffen einmalig.[6] In der älteren Literatur wird mit der Abfolge langsam-schnell-langsam teilweise eine Anlehnung an die französische Ouvertüre gesehen.[7][8][9] Dagegen spricht, dass in der Sinfonie „weder die rahmenden langsamen Teile noch der rasche Mittelteil irgendeine Entsprechung zu dem für die französische Ouvertüre typischen musikalischen Gestus erkennen lassen“[6]. So stellt das einleitende Adagio keine majestätische Einleitung dar, sondern trägt eher divertimentohafte Züge.[8][9] Wolfgang Marggraf sieht „in dieser merkwürdigen Anlage ein für Haydns Frühzeit charakteristisches formales Experiment“.[6]
Adagio: D-Dur, 3/4-Takt, Takt 1 bis 33:
Im Adagio entwickelt die durchweg pianissimo gehaltene 1. Violine ihre in Zweitaktgruppen gegliederte[6] „charmante Cantilene“[8], die von den übrigen Streichern pizzicato begleitet wird. In die Zäsuren der Melodie geben die solistischen Hörner kurze Einwürfe. Dadurch entsteht eine gelassen-divertimentohafte Atmosphäre. Ähnlich wie im Adagio der Sinfonie Nr. 11, schweigen auch in diesem Satz die Oboen.[9] Ab Takt 9 setzt die 1. Violine ihre Kantilene fort. Auf die im lombardischen Rhythmus aufsteigende Linie der 1. Violine folgt dann eine Passage mit Wechsel der Streicher von hoher und tiefer Lage unter ausgehaltenen Tönen der Hörner. Anschließend übernehmen die Hörner die Stimmführung[10], während nun die 1. Violine als Liegeton begleitet. Nach einer weiteren im lombardischen Rhythmus aufsteigenden Figur der 1. Violine endet das Adagio mit einer Tonrepetitionsfigur im Wechsel von hohen und tiefen Streichern in der Dominante A-Dur.
Presto: D-Dur, 4/4-Takt, Takt 34 bis 111:
Der schwungvolle, feurige[8] Satz beginnt in der Tonika D-Dur mit einem zweiteiligen „Thema“. Den ersten Teil bildet eine dramatische, dissonierende Stimmenüberlagerung[8] der Oboen und tremolierenden Violinen, die als „ansteigende Pseudo-Imitation (…) kein Thema, sondern reiner musikalischer Prozess ist.“[11] Nach drei Takten folgt dann ein neuer Gedanke, der ähnlich zum Anfangsthema des ersten Satzes aus der Sinfonie Nr. 4[8][7] bzw. zu einem kroatischen Volkstanz (Kolo) gestaltet ist[6] (Akkordschlag + Sechzehntelroller + Achtel-Staccatofolge). Unisono-Sechzehntelläufe der Oboen und Violinen führen zum zweiten Thema in A-Dur, wobei vorher die Takte 47/48 rhythmisch differenziert gestaltet sind: Die 1. Violine spielt Synkopen, die 2. Violine absteigende Sechzehntelfiguren und die Viola eine aufsteigende, zur 2. Violine gegenbewegungsartige Sechzehntelfloskel.
Das zweite Thema (ab Takt 37, A-Dur) wird pianissimo nur von den beiden Violinen mit einer Achtel-Staccatofigur eingeleitet, die man sich aus dem zweiten Motiv des ersten Themas hergeleitet denken kann. Diese Figur wird dann mit Molltrübung und unter Begleitung der übrigen Instrumente erweitert. Die Schlussgruppe beginnt als Unisonowendung der Streicher, bringt dann eine Tremolofigur ähnlich zum Satzanfang sowie in dreifacher Wiederholung die gegenstimmenartige Aufwärts-Floskel der Viola aus Takt 47/48. Die Exposition endet mit dem Tremolo-Teil des ersten Themas in A-Dur.
Ohne Wiederholung der Exposition folgt nahtlos als Mittelteil („Durchführung“) eine Abfolge mehrere Motive, darunter zu Beginn auch eine Variante des Tremolo-Teils vom ersten Thema und Elemente vom zweiten Thema. Auffällig sind die starken Kontraste von Fortissimo und Pianissimo ab Takt 72.
Die Reprise setzt in Takt 81 mit dem zweiten Motiv des ersten Themas ein und verläuft dann ähnlich der Exposition. Das Presto endet nach Unisonoläufen der Streicher in A-Dur.
Adagio: D-Dur, 3/4-Takt, Takt 112 bis 134: Das Wiederaufgreifen des Adagios ist um zehn Takte verkürzt: Nach dem Dialog der 1. Violine und Hörner setzt sogleich die Passage mit dem Wechsel der Streicher in hoher und tiefer Lage und dem Liegeton der Hörner ein.
Zweiter Satz: Menuet
D-Dur, 3/4-Takt, mit Trio 68 Takte
Der im „erhabenen, fast Händelschen“[7] Menuett vorherrschende punktierte Rhythmus erinnert „an den französischen Stil“ und verleiht „dem Satz etwas von der würdevollen Gemessenheit eines barocken Menuetts“.[8] Der Satzanfang weist Ähnlichkeiten auf zum Trio des Menuetts aus „Servizio di tavola“ von 1757 des Wiener Hofkapellmeisters Georg Reutter.[8]
Im kammermusikalischen Trio für Streicher (G-Dur) wechseln sich die Violinen mit der Soloviola und dem Solocello dialogartig mit Legato-Zweitongruppen[11] ab.
„Hier begegnet mithin zum ersten Male jene Tendenz zum solistischen Herausstellen einzelner Instrumente, und zwar besonders häufig im Trio des Menuetts, die dann vor allem in Haydns Sinfonik der sechziger Jahre markant hervortreten wird.“[6]
Dritter Satz: Andante
G-Dur, 2/4-Takt, 73 Takte
Das überwiegend zweistimmige Andante ist nur für Streicher gehalten und erinnert mit der häufig von Pausen unterbrochenen, ausdrucksvollen Melodik und den seufzerartigen Vorhalten an den empfindsamen Stil von Carl Philipp Emanuel Bach.[8] Die auftaktige Anfangsfloskel des viertaktigen Hauptthemas spielt im weiteren Satzverlauf eine wichtige Rolle: So folgt auf das Thema in den Violinen ein neues Motiv mit Tonrepetition im punktierten Rhythmus, wobei der Bass die Pausen mit dieser Floskel füllt. Auch in der folgenden Passage ab Takt 12 tritt sie dominant in Erscheinung. Nach einem Fortissimo-Ausbruch führt eine in Synkopen fallende Linie zum Schlussmotiv der Exposition mit Tonrepetition und forte-piano-Kontrast.
Der Beginn des zweiten Satzteils ist durch den Dialog der Violinen geprägt, wobei die 1. Violine die Floskel vom Hauptthema spielt. Ein erneuter Ausbruch bis zum Fortissimo führt erneut zu einer Passage mit Synkopen in der 1. Violine (Takt 38 bis 47), während die 2. Violine ihre seufzerartigen Sekund-Motive weiterführt. Die Reprise ab Takt 50 ist ähnlich wie die Exposition strukturiert. Beide Satzteile werden wiederholt.[12]
Vierter Satz: Presto
D-Dur, 3/8-Takt, 158 Takte
Das Presto ist dreiteilig nach dem Schema A-B-A angelegt und erinnert damit sowie durch den etwas tänzerischen Charakter an die Struktur eines Menuetts mit Trio. Der A-Teil ist im galanten Stil eines „Kehraus“ gehalten. Auch er ist in sich dreiteilig:
- Teil 1 (Takt 1 bis 20): Vorstellung des Themas, das aus zwei Phrasen besteht (Phrase 1: Takt 1 bis 6, Phrase 2: Takt 7 bis 10). Das Thema ist zehntaktig und endet zunächst „offen“ auf der Dominante A, anschließend wird es einmal wiederholt mit Schluss auf der Tonika D (Takt 20).
- Teil 2 (Takt 21 bis 32): Fortführung der Gedanken vom A-Teil.
- Teil 1 (Takt 33 bis 44): Wiederaufgreifen des Themas mit variierter Schlusswendung.
Der Mittelteil kontrastiert durch die Tonart d-Moll und die Beschränkung auf Streicher im Piano. Die 1. Violine ist mit „einer eigentlümlich tänzerisch-federnden Melodie“[13] stimmführend, die übrigen Streicher begleiten (die 2. Violine mit „flüsternden Sechzehntel-Ketten“[13], Bass und Viola mit getupftem Fundament[13]).
- Teil 1 (Takt 45 bis 60): Das achttaktige Thema weist eine charakteristische vierfache Tonrepetition mit Sekunde aufwärts in seinem Kopfmotiv sowie eine Auflockerung des Rhythmus (verkürzte Variante des Kopfmotivs mit über den Takt gehaltener Note und Sekunde aufwärts) auf. Es wird wiederholt.
- Teil 2 (Takt 61 bis 82) besteht wiederum aus zwei Phrasen. Die erste beginnt ausgehend von F-Dur und variiert die Motive des vorangegangenen Themas (Sekunde abwärts und zweifache Tonrepetition). Die zweite Phrase weist zunächst neben der Tonrepetition große Intervallsprünge auf und leitet dann als fallende Linie nahtlos in das Wiederaufgreifen des Themas von Teil 1 über.
- Anschließend wird Teil 2 komplett wiederholt (Takt 83 bis 104).
Ab Takt 105 wird der A-Teil fast wörtlich wiederholt. Mit einer Coda beendet Haydn den Satz.
Einzelnachweise, Anmerkungen
- Informationsseite der Haydn-Festspiele Eisenstadt, siehe unter Weblinks.
- Michael Walter (Haydns Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer. C. H. Beck-Verlag, München 2007, ISBN 978-3-406-44813-3, S. 29) unter Verweis auf Giuseppe Carpani, nach dem der Anlass für Haydns Engagement am Hofe von Esterházy die Aufführung einer Sinfonie in D-Dur im 3/4-Takt war. Außer Nr. 15 kommt bei entsprechend früher Datierung sonst nur noch die Sinfonie Nr. 19 in Frage.
- Ullrich Scheideler: Sinfonien um 1761 – 1765. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hrsg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 2. G. Henle-Verlag, München 2012, Seite VIII.
- Carl Ferdinand Pohl: Joseph Haydn. Erster Band. Erste Abtheilung. Verlag von A. Sacco Nachfolger. Berlin 1875, Seite 303.
- Beispiele: a) James Webster: On the Absence of Keyboard Continuo in Haydn's Symphonies. In: Early Music Band 18 Nr. 4, 1990, S. 599–608); b) Hartmut Haenchen: Haydn, Joseph: Haydns Orchester und die Cembalo-Frage in den frühen Sinfonien. Booklet-Text für die Einspielungen der frühen Haydn-Sinfonien., online (Abruf 26. Juni 2019), zu: H. Haenchen: Frühe Haydn-Sinfonien, Berlin Classics, 1988–1990, Kassette mit 18 Sinfonien; c) Jamie James: He'd Rather Fight Than Use Keyboard In His Haydn Series. In: New York Times, 2. Oktober 1994 (Abruf 25. Juni 2019; mit Darstellung unterschiedlicher Positionen von Roy Goodman, Christopher Hogwood, H. C. Robbins Landon und James Webster). Die meisten Orchester mit modernen Instrumenten verwenden derzeit (Stand 2019) kein Cembalocontinuo. Aufnahmen mit Cembalo-Continuo existieren u. a. von: Trevor Pinnock (Sturm und Drang-Sinfonien, Archiv, 1989/90); Nikolaus Harnoncourt (Nr. 6–8, Das Alte Werk, 1990); Sigiswald Kuijken (u. a. Pariser und Londoner Sinfonien; Virgin, 1988 – 1995); Roy Goodman (z. B. Nr. 1–25, 70–78; Hyperion, 2002).
- Wolfgang Marggraf: Haydns früheste Sinfonien (1759-1761). Die Sinfonien des "Sonata-da-chiesa"-Typs. http://www.haydn-sinfonien.de/text/chapter2.2.html, Abruf 30. Januar 2013.
- Antony Hodgson: The Music of Joseph Haydn. The Symphonies. The Tantivy Press, London 1976, ISBN 0-8386-1684-4, S. 50.
- Walter Lessing: Die Sinfonien von Joseph Haydn, dazu: sämtliche Messen. Eine Sendereihe im Südwestfunk Baden-Baden 1987-89, herausgegeben vom Südwestfunk Baden-Baden in 3 Bänden. Band 1, Baden-Baden 1989, S. 64–65.
- Howard Chandler Robbins Landon: The Symphonies of Joseph Haydn. Universal Edition & Rocklife, London 1955, S. 217 bis 223.
- Das Motiv erinnert an den Beginn des Trios aus der Sinfonie KV 550 von Wolfgang Amadeus Mozart.
- James Webster: Hob.I:15 Symphonie in D-Dur. Informationstext der Haydn-Festspiele Eisenstadt zur Sinfonie Nr. 15 von Joseph Haydn, siehe unter Weblinks.
- Die Wiederholungen der Satzteile werden in einigen Einspielungen nicht eingehalten.
- Arnold Werner-Jensen; Klaus Schweizer (1998): Reclams Konzertführer Orchestermusik. 16. Auflage. Philipp Reclam jun. Stuttgart, S. 125
Weblinks, Noten
- Hörbeispiele und Informationen zur 15. Sinfonie Haydns vom Projekt „Haydn 100&7“ der Haydn-Festspiele Eisenstadt
- Wolfgang Marggraf: Haydns früheste Sinfonien (1759-1761). Die Sinfonien des „Sonata-da-chiesa“-Typs. , Abruf 30. Januar 2013.
- Joseph Haydn: Sinfonia No. 15 D-Dur. Philharmonia-Band Nr. 715, Wien 1963. Reihe: Howard Chandler Robbins Landon (Hrsg.): Kritische Ausgabe sämtlicher Sinfonien von Joseph Haydn. (Taschenpartitur)
- Sinfonie Nr. 15 von Joseph Haydn: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
- Ullrich Scheideler: Sinfonien um 1761 – 1765. In: Joseph Haydn-Institut Köln (Hrsg.): Joseph Haydn Werke. Reihe I, Band 2. G. Henle-Verlag, München 2012, 225 Seiten.