Traktat
Ein Traktat (von lateinisch tractatus „Abhandlung, Erörterung“, von tractare[1]) ist als Literaturgattung eine schriftliche Abhandlung und dadurch gekennzeichnet, dass zwischen Kapiteln und vollständigem Text keine weiteren Gliederungsstrukturen vorhanden sind.[2] Oft werden im Traktat religiöse, philosophische, kulturelle, politische, moralische oder (natur-)wissenschaftliche Themen behandelt. Die Publikation in Traktat-Form stammt aus der Antike. Durch die häufige Verwendung zu didaktisch-dogmatischen Zwecken hat das Wort Traktat im Deutschen mitunter einen negativen Beiklang.[3]
Sowohl die männliche Form der Traktat als auch die sächliche Form das Traktat sind gebräuchlich.
Erste Nachweise des Gebrauchs des Wortes „Traktat“ im deutschen Sprachraum stammen bereits aus dem 8. Jahrhundert (mittelhochdt. tractat m.).
Aktueller Gebrauch
Heute werden Traktate oft zur Verbreitung religiöser oder politischer Ideologien eingesetzt. Traktate erheben in diesem Zusammenhang keinen wissenschaftlichen Anspruch. Sie zielen vielmehr darauf ab, die betreffenden Ideen allgemein verständlich und mit großer Überzeugungskraft darzustellen. Häufig werden diese dann in der Fußgängerzone oder direkt an der Haustür zu Missionszwecken kostenlos angeboten oder liegen an öffentlich zugänglichen Orten zur Mitnahme aus. Flug-, Streit- und Schmähschriften fallen unter den Begriff Pamphlet. Beide Bezeichnungen haben je nach Kontext einen mehr oder weniger negativen Unterton (Konnotation).
Geschichte
Traktate im Sinne philosophischer und wissenschaftlicher Abhandlungen wurden bereits im Altertum verfasst, darunter sehr bedeutende mit überragender Nachwirkung, sowohl in der klassischen griechisch-römischen Antike im Mittelmeerraum als auch im Alten Indien sowie im Alten China.
Der Architekturtraktat war eine literarische Gattung des 15. und 16. Jahrhunderts, durch die vor allem die Entwurfssystematik der römischen Antike erklärt und verbreitet werden sollte. Der Architekturtraktat war der Motor des stilistischen Wandels von der Gotik zur Renaissance. Dabei standen Illustration und Text gleichwertig nebeneinander.
Vornehmlich im 19. Jahrhundert wurde christliches Schrifttum mit großer Breitenwirkung Traktat genannt. (siehe auch: Liste von Traktatgesellschaften)
Talmud
Eine Sonderform von Traktaten findet sich im Talmud. Dieses umfangreiche jüdische Schriftwerk, in Tannaitischem Hebräisch, Biblischem Aramäisch und Klassischem Aramäisch geschrieben, wird auch mündliche Tora genannt. Der Talmud enthält Kommentare zu einzelnen Bestimmungen der schriftlichen Tora. Die Mischna bildet die Basis des Talmud, sie besteht aus sechs Ordnungen (sedarim, singular seder סדר), die jeweils 7–12 Traktate (masechtot, singular masechet מסכת; lit. "web") enthalten, insgesamt 63 Traktate. Jeder masechet ist in Kapiteln (peraqim, singular pereq) und weiter in Paragraphen (mishnayot, singular Mishnah) unterteilt. In diesem Zusammenhang meint der Begriff Mischna einen Paragraphen, die kleinste Einheit der gesamten Struktur. Dies führte in der Plural-Form zur Bezeichnung „Mishnayot“ für das gesamte Werk. Somit besteht auch der Talmud aus sechs Bänden, sogenannten Ordnungen, die ihrerseits in 63 Traktate aufgeteilt werden.
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Vgl. auch Friedrich Kluge, Alfred Götze: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 20. Aufl., hrsg. von Walther Mitzka, De Gruyter, Berlin/ New York 1967; Neudruck („21. unveränderte Auflage“) ebenda 1975, ISBN 3-11-005709-3, S. 785 (traktieren/tractāre: ‚bewirten, handhaben, behandeln, erörtern, verhandeln‘).
- Gundolf Keil: „dits die beste raet die icker toe can gegeuen genomen vte platearise“. Quellenkundliche Anmerkungen zu Ypermans Medicine. In: Geneeskunde in nederlandstalige teksten tot 1600. Koninklijke Academie voor Geneeskunde van België, Brüssel 2012 (2013), ISBN 978-90-75273-29-8, S. 93–137; hier: S. 106, Anm. 86 (zum im 12. Jahrhundert verfassten Traktat Practica brevis des Johannes Platearius).
- Literaturwissenschaft Essen (Memento vom 16. Februar 2007 im Internet Archive), geschrieben von dem Literaturwissenschaftler Jürgen Link.