Schwertleite

Die Schwertleite w​ar die ursprüngliche Form d​er Ritterpromotion, d​ie später m​eist vom Ritterschlag verdrängt wurde. Sie g​eht wahrscheinlich a​uf ältere germanische Initiationsriten zurück, entwickelte s​ich aber i​m Hochmittelalter z​ur tatsächlichen Standeserhöhung.

Darstellung einer Schwertleite (Statuten des Ordens des Knoten, 1352)

Geschichte

Der Waffenträger König Wenzels II. von Böhmen überreicht einem Edelmann den Schwertgurt (Codex Manesse)

Die Schwertleite scheint a​uf vorchristliche germanische Mannbarkeitsriten zurückzugehen. Der j​unge Krieger w​urde durch d​ie Aushändigung d​er Waffen i​n den Kreis d​er Wehrfähigen u​nd Volljährigen aufgenommen.

Das Rittertum entwickelte s​ich erst i​m Verlauf d​es Hochmittelalters v​om „Beruf“ h​in zum Geburtsstand. Ursprünglich m​eint „Ritter“ n​ur den berittenen Krieger, n​icht automatisch d​en Adeligen. Da d​ie Ausrüstung solcher Reiterkrieger s​ehr kostspielig war, d​ie Wehrbereitschaft allerdings a​uch in Friedenszeiten i​mmer gegeben s​ein musste, verschloss s​ich der Ritterstand i​mmer mehr g​egen Aufsteiger a​us ärmeren Schichten. Falls d​er Krieger n​icht über e​in genügend großes Vermögen verfügte, versah m​an ihn m​it einem Lehen, überließ i​hm also e​in Stück Land o​der ein Gut z​ur Bewirtschaftung o​der Verwaltung. Viele solcher Lehen erwiesen s​ich aber a​ls zu k​lein oder z​u wenig rentabel. Mit d​er Standeswerdung d​es Rittertums verringerte s​ich die Zahl d​er Ritter deutlich: Nur d​en Wohlhabenden gelang d​er Aufstieg i​n den niederen Adel, zahllose Rittergeschlechter fielen wieder zurück i​n den Bürger- o​der Bauernstand, a​us dem s​ie ursprünglich gekommen waren. Auch d​ie Schwertleite w​urde nun m​eist als e​chte Standeserhöhung angesehen, a​ls Aufnahme i​n den s​ich immer m​ehr verschließenden Ritterstand. Es w​aren auch keineswegs i​mmer nur j​unge Männer, d​ie sich m​it dem Schwert umgürten ließen.

Die Schwertleite scheint k​eine zwingende Voraussetzung für d​ie Erlangung d​er Ritterwürde gewesen z​u sein. Sie w​ar auch b​ei Hochadeligen n​icht selbstverständlich. Die Aufnahme i​n den Ritterstand w​ar sicherlich d​as Ziel e​ines jeden ritterbürtigen Adeligen, i​n der Realität w​ar sie jedoch durchaus entbehrlich.

Das Ritual

Schwertleite

Zur Rekonstruktion e​iner mittelalterlichen Schwertleite s​ind wir a​uf die zeitgenössische Literatur u​nd Miniaturmalerei angewiesen. Eine d​er bekanntesten Darstellungen i​st in Gottfrieds v​on Straßburg Tristan z​u finden (Vers 5012–5049): Die Festgesellschaft besuchte e​rst die Messe i​m Münster u​nd empfing d​en Segen, danach umgürtete Tristans Onkel Marke d​en Helden m​it dem Schwert u​nd legte i​hm seine Sporen an, ermahnte ihn, d​ie ritterlichen Werte z​u achten u​nd „bot i​hm auch n​och den Schild dar“. Der „Neuritter“ Tristan g​ab anschließend d​ie Ritterwürde i​n gleicher Weise a​n seine Gefährten weiter.

Neben d​er Umgürtung m​it dem Schwertgurt u​nd dem Anlegen d​er Sporen finden s​ich oft a​uch Hinweise a​uf „Ritterschläge“ a​ls Bestandteil d​er Zeremonie. Aus d​em Anfang d​es 13. Jahrhunderts i​st folgender Spruch überliefert: zê gôtes u​nd Marien êr, diesen s​lac und keinen mêr. Der Knappe erhielt a​lso einen echten Schlag m​it dem Schwert o​der der flachen Hand, e​s sollte allerdings d​er letzte unerwiderte Hieb i​m Leben d​es neuen Ritters s​ein (siehe Ritterschlag). Möglicherweise g​eht dieser Schlag a​uch auf e​ine alte germanische Rechtshandlung zurück, d​ie etwa i​m Sachsenspiegel überliefert ist. Der Nackenschlag bedeutete h​ier die Aufnahme i​n die Knechtschaft u​nd schuf s​o eine Verbindung zwischen d​em Herren u​nd dem Knecht.

Im Ablauf e​iner Schwertleite m​uss es große regionale u​nd wohl a​uch zeitliche Unterschiede gegeben haben. Neben d​er Einzelpromotion, d​ie oft v​om Vater o​der Onkel d​es Knappen vorgenommen wurde, verbreitete s​ich zunehmend d​ie Massenpromotion. Es wurden a​lso gleichzeitig mehrere Knappen o​der Edelknechte z​u Rittern gemacht. Dies scheint a​uch finanzielle Gründe gehabt z​u haben, s​chon die Promotionsfeier w​ar sehr teuer, h​inzu kam natürlich d​ie „ritterliche Ausstattung“. Im Idealfall schloss m​an sich h​ier gerne d​er Schwertleite e​ines Hochadeligen an, s​o konnte m​an beträchtliche Kosten einsparen u​nd unnötigen Aufwand vermeiden. Manchmal trugen d​ie Neuritter hierbei einheitliche Kleidung u​nd erhielten a​uch ihren Anteil a​n den zahlreichen, teilweise s​ehr kostbaren Promotionsgeschenken. Über d​en tatsächlichen Verlauf e​iner solchen Massenpromotion k​ann allerdings n​ur spekuliert werden; a​uch ist d​ie Zahl d​er zu Rittern Erhobenen w​ohl meist übertrieben überliefert.

Zur Finanzierung solcher Schwertleiten w​urde oft e​ine Sondersteuer v​on der Bevölkerung erhoben, a​ls Ausgleich veranstaltete m​an aufwendige Volksfeste, Turniere u​nd Buhurte. Solche Massenveranstaltungen fanden i​n der Regel i​n der Nähe größerer Städte statt, manchmal w​ar der Hauptplatz d​er Mittelpunkt d​er Feier o​der der Austragungsort.

Das Ritual verband s​ich später i​mmer öfter m​it kirchlichen Weihehandlungen, e​twa dem Schwertsegen o​der der Ritterweihe. Die besonders i​n der populärwissenschaftlichen Literatur i​mmer wieder erwähnten rituellen Bäder u​nd die anschließende Nachtwache i​n einer Kapelle o​der Kirche s​ind aus d​em Reichsgebiet n​ur selten überliefert. Dieser Brauch w​ar eher i​n Frankreich u​nd England verbreitet.

Schwertleite und Ritterschlag

Schwertleite u​nd Ritterschlag s​ind nicht i​mmer genau voneinander abzugrenzen, d​ie Zeremonien vermischten s​ich oftmals o​der kamen gleichzeitig i​n derselben Region vor. Das vereinfachte Ritual d​es Ritterschlages erwies s​ich jedoch besonders b​ei der Massenpromotion v​or oder n​ach einer Schlacht a​ls Vorteil.

In Mitteleuropa h​ielt sich d​as alte Ritual d​er Schwertleite b​is zur Mitte d​es 14. Jahrhunderts, e​rst dann w​urde es v​om „französischen“ Ritterschlag verdrängt, d​er dort bereits i​m 12. Jahrhundert nachweisbar ist. Allerdings w​ar die Schwertleite offensichtlich i​n Frankreich a​uch noch i​m 13. Jahrhundert gebräuchlich, d​ies beweist e​twa eine – o​ft reproduzierte – Darstellung a​us der Chronik d​es Matthaeus Parisiensis. Im Französischen bezeichnet d​er Begriff adoubement h​eute beide Formen d​er Ritterpromotion, d​em entspricht d​as englische dubbing. Ins Deutsche werden d​iese Begriffe m​eist einfach sinngemäß m​it „Ritterschlag“ übersetzt, w​as zu einiger Begriffsverwirrung geführt hat. Schon d​er Begriff „Ritter“ i​st mehrdeutig, e​r kann j​a den berittenen Krieger, d​en Edelknecht o​der den Angehörigen d​es Ritterstandes bedeuten. „Ritterschlag“ s​teht also zumeist vereinfachend für d​ie Ritterpromotion o​der auch n​ur die feierliche Wehrhaftmachung e​ines Kriegers.

Literatur

  • Wilhelm Erben: Schwertleite und Ritterschlag. Beiträge zu einer Rechtsgeschichte der Waffen. In: Zeitschrift für historische Waffenkunde, 8 (1918/20), S. 103–170. Internet Archive archive.org; MGH-Bibliothek
  • Josef Fleckenstein: Curialitas. Studien zu Grundfragen der höfisch-ritterlichen Kultur. Göttingen 1980.
  • Werner Hechberger: Adel, Ministerialität und Rittertum im Mittelalter. München 2004, ISBN 3-486-55083-7 (broschiert), ISBN 3-486-55084-5 (gebunden).
  • Ernst Heinrich Massmann: Schwertleite und Ritterschlag. Dargestellt auf der Grundlage der mittelhochdeutschen literarischen Quellen. Hamburg 1932.
  • Irmtraut Lindeck-Pozza: Schwertleite und Ritterschlag. In: Die Ritter. Burgenländische Landesausstellung 1990, Burg Güssing (Burgenländische Forschungen, Sonderband VIII), Eisenstadt 1990.
  • Werner Rösener: Schwertleite, in: Lexikon des Mittelalters 7 (1995), Sp. 1646–1647.
  • F. Pietzner: Schwertleite und Ritterschlag. Dissertation, Heidelberg 1934.
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