Saliera
Die Saliera (italienisch Salz- oder Pfefferfass) ist ein vom italienischen Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini für Franz I. von Frankreich von 1540 bis 1543 angefertigtes Tafelgerät. Es wird in der permanenten Ausstellung in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums in Wien aufbewahrt.
Beschreibung
Die Saliera gilt als die einzige erhalten gebliebene Goldschmiedearbeit Benvenuto Cellinis. Sie ist ein Werk der Spätrenaissance und zeigt eine allegorische Darstellung des Planeten Erde: Neptun, der Gott des Meeres, zu seinen Füßen ein Schiff als Salzbehälter, von vier pferdeartigen Wesen mit Rossleib und Fischschwänzen getragen, und Tellus, die römische Göttin der Erde. An ihrer Seite befinden sich ein Tempelgebäude, das als Behälter für Pfeffer dient, sowie die Darstellungen von Landtieren und einem von Blüten und Früchten strotzenden Füllhorn.
Die Figur des Neptun symbolisiert hier das Meer, welches das Salz hervorbringt, wohingegen Tellus die Erde symbolisiert, welche den Pfeffer hervorbringt. Cellini schreibt zu seinem ikonographischen Programm diesbezüglich: „Beide hatten die Beine anmutsvoll ineinander geschoben; das eine hielten sie gestreckt, das andere gebogen; welche Stellung Berg und Ebene der Erde bedeuten sollte.“ Der Sockel der Skulptur ist in acht Nischen eingeteilt, in denen Allegorien der Jahreszeiten einerseits und Morgenröte, Tag, Dämmerung und Nacht andererseits dargestellt sind.
Die Figuren wurden von Cellini, der zu dieser Zeit in Frankreich eine große Werkstatt mit vielen Mitarbeitern aus Frankreich, Italien und Deutschland unterhielt, freihändig aus Goldblech getrieben – wie er in seiner Werkbeschreibung schrieb, „von so schöner Gestalt und so anmutig, als ich nur wußte und konnte“ – und teilweise emailliert. Der Sockel besteht aus Ebenholz mit Verzierungen aus Gold. Die Skulptur ist rund 26 cm hoch und 33 cm breit. Das Salzfass ruhte auf vier lose in das Ebenholz eingelassenen Elfenbeinkugeln, so dass es nach allen Seiten rollbar war.
Geschichte
Der ursprüngliche Auftraggeber war der Kardinal von Ferrara, Ippolito d’Este. Für ihn fertigte Cellini in Rom einen Pokal und ein Becken aus Silber, wobei das Salzfass als Ergänzung dazu gedacht war. Der Kardinal zog seinen Auftrag allerdings zurück, als er das Wachsmodell sah und es für nicht ausführbar hielt. Cellini nahm das Modell später mit auf seine Reise nach Frankreich und zeigte es dort Franz I., der bereits als Geschenk des Kardinals von Ferrara dessen Pokal und Becken besaß. Franz I. erteilte Cellini den Auftrag zur Ausführung des Salzfasses.
Es gelangte später als Geschenk des französischen Königs Karl IX. an Erzherzog Ferdinand II. von Tirol in habsburgischen Besitz. Karl IX. bedankte sich mit dem Geschenk, dass ihn Ferdinand II. bei der Hochzeit als Bräutigam vertreten hatte.[1]
Das Salzfass war Teil der Kunstsammlung von Schloss Ambras und wurde im Zuge der Auflösung dieser Sammlung im 19. Jahrhundert in das Kunsthistorische Museum in Wien überführt. Der Landeshauptmann von Tirol, Herwig van Staa, bemühte sich vergebens darum, die Saliera wieder nach Tirol zu holen.
Benvenuto Cellini und sein Werk gerieten im Laufe der Zeit sehr bald in Vergessenheit, was die nur geringe Anzahl seiner heute noch erhaltenen Arbeiten erklärt. Auch die Saliera wurde in der Sammlung von Schloss Ambras als anonymes Werk geführt. Das wiedererwachte Interesse an Benvenuto Cellini geht im deutschsprachigen Raum in erster Linie auf Johann Wolfgang von Goethe zurück, der die Vita des Künstlers ins Deutsche übersetzte, oder besser, bearbeitete. Im Anschluss an die Veröffentlichung setzte eine fieberhafte Suche nach noch vorhandenen Werken Cellinis ein. Karl August Varnhagen von Ense berichtete in diesem Zusammenhang, dass Karl August, Herzog von Sachsen-Weimar bei einem Besuch in Wien die Möglichkeit hatte, die gerade dorthin gebrachte Sammlung aus Ambras zu besichtigen und dabei die in der Vita beschriebene Saliera entdeckte, worüber er unverzüglich seinem Freund Goethe Bericht erstattete.
Der Wert der Skulptur wird (2006) auf rund 50 Millionen Euro geschätzt (Grundlage für diese Schätzung ist der Versicherungswert).[2]
Der Diebstahl 2003
Am 11. Mai 2003 wurde die Saliera aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien entwendet, das wegen Bauarbeiten eingerüstet war. Die Alarmanlage löste zwar aus, das Wachpersonal nahm aber einen Fehlalarm an, sodass der Diebstahl erst am nächsten Morgen vom Reinigungspersonal entdeckt wurde. Kriminalisten stellten fest, dass der oder die Täter nicht mehr als 46 Sekunden für die Tat zur Verfügung gehabt hatten. Sie waren über das Baugerüst durch ein Fenster eingestiegen.
Der spektakuläre Diebstahl erregte weltweites Medieninteresse, und in den großen Tageszeitungen wurden Inserate geschaltet, die sich an die Diebe richteten, allerdings ohne Erfolg. Die amerikanische Kriminalpolizei FBI setzte in ihrer Fahndung das Werk auf Platz fünf der wertvollsten gestohlenen Kunstgegenstände.[3] Trotzdem blieb die Saliera drei Jahre lang verschollen. Bei der Wiener Kriminaldirektion wurde eine eigene Sonderermittlungsgruppe Saliera eingerichtet, Chefermittler war Ernst Geiger.
Nach dem Durchsickern von Fahndungsdetails gab das Bundeskriminalamt am 20. Jänner 2006 bekannt, dass ihm am 27. Oktober 2005 ein Teil der Figur – der Dreizack – zugesandt worden war. Ein Informant könne weitere Hinweise auf den Verbleib der Figur geben. Gleichzeitig wurde das Foto eines mutmaßlichen Täters veröffentlicht und eine Großfahndung eingeleitet. Das Bild stammte von einer Überwachungskamera in einem Mobilfunkgeschäft in der Wiener Mariahilfer Straße, wo ein Mann ein Wertkartentelefon erworben hatte, von dem aus eine Erpressungs-SMS verschickt wurde. Der Absender verlangte von der Uniqa Versicherungen 10 Millionen Euro, andernfalls würde er das Kunstwerk einschmelzen und diese Tat auf Video dokumentieren. Der Verdächtige wurde nach der Veröffentlichung des Fotos von Bekannten erkannt und stellte sich tags darauf der Polizei. Nachdem er zuerst bestritt, an dem Diebstahl beteiligt zu sein, legte er schließlich ein Geständnis ab und führte die Polizei am 21. Jänner 2006 zu einem Waldstück beim Dorf Brand bei Zwettl, wo er die Saliera in einer Kiste vergraben hatte.
Der Täter, Robert Mang, war 47 Jahre alt, Vater zweier Kinder und Inhaber einer Alarmanlagenfirma in Wien-Neubau. Er gab an, Schwachstellen im Alarmsystem des Museums entdeckt und die Tat in alkoholisiertem Zustand begangen zu haben. Er habe das Diebesgut zunächst unter seinem Bett aufbewahrt. Im September 2006 wurde er zu vier Jahren Haft verurteilt, die in einem neuen Prozess auf fünf Jahre erhöht wurde; er wurde nach zwei Jahren und neun Monaten vorzeitig entlassen.[4]
Der Täter hatte kurioserweise im Jahr 2004, als er noch nicht ermittelt war, dem privaten Wiener Radiosender Orange 94.0 als Sicherheitsexperte ein Interview gegeben, in dem er sich nicht nur über Alarmanlagen im Allgemeinen, sondern auch über die Saliera und ihre angebliche schlechte Absicherung äußerte. Dieser Zusammenhang wurde im Jänner 2006 aufgedeckt, wobei sich die Aussagen über den schlechten Sicherheitsstandard als unwahr erwiesen.[5]
Am 22. Jänner 2006 übergab die damalige Innenministerin Liese Prokop die Saliera im Rahmen einer Pressekonferenz formell an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer, die sie an das Kunsthistorische Museum weiterleitete. Sachverständige stellten leichte Beschädigungen fest, vor allem Kratzer an der Oberfläche der goldenen Figuren, die auf Glassplitter der bei der Tat eingeschlagenen Vitrine und die nicht fachgerechte Lagerung zurückzuführen waren. An mehreren Stellen waren auch Teile der Emailverzierungen abgesplittert.
Vom 31. Jänner bis zum 19. Februar 2006 war das wiedergefundene Kunstwerk wieder im Kunsthistorischen Museum zu besichtigen. Danach folgte eine dreiwöchige Restaurierungsphase. Ab 14. März kehrte das goldene Salzfass dann anlässlich der Ausstellung „Europa ohne Grenzen“ endgültig ins Museum zurück.
Rezeption
- Der Diebstahl der Saliera war der Anlass für die erste Installation einer Kunstklappe.
- Der Diebstahl einer fiktiven Cellini-Skulptur aus einem Museum durch Auslösen eines Falschalarms wurde im Jahr 1966 im Spielfilm Wie klaut man eine Million? gezeigt.
- Mang und der Diebstahl werden in dem Roman Mine all mine von Adam Davies (deutsch: Dein oder mein) mehrmals erwähnt.
- Die Saliera und der Kunstraub stehen im Mittelpunkt des 2018 in der edition tingeltangel erschienenen Kinderkrimis Lauter Lauterbachs und die geheimnisvolle Saliera der Autorinnen und Kunsthistorikerinnen Susanna Partsch und Andrea Schaller und der Illustratorin und Kunstpädagogin Rosemarie Zacher.[6]
Weblinks
- Kunstkammer Wien im Kunsthistorischen Museum Wien
- Saliera: Beschreibung (viennatouristguide.at), abgerufen am 18. Dezember 2012
- Zum Kunstraub
- Rainer Himmelfreundpointner: Wie es gelang, die »Saliera« aus dem angeblichen »Bollwerk« zu stehlen, zeit.de, 9. Februar 2006
- Das Saliera Salzfass: Kunstwerk - Raub - Auffinden - Täter verurteilt; Chronologie des spektakulären Kunstraubes der Saliera wien-konkret.at, 28. Juli 2007
- Conny Bischofberger: Die Beichte des "Saliera"-Diebs krone.at, 29. Januar 2006. – Interview mit dem Dieb in Haft via Rechtsanwalt.
Einzelnachweise
- Freier Eintritt ins Kunsthistorische Museum und in die Neue Burg mit dem Vienna PASS viennapass.de > Kunsthistorisches Museum Wien > Wussten Sie, dass...:, angerufen 14. April 2017.
- Michael Frank: Salzfass und Räuberpistole. Süddeutsche Zeitung vom 23. Januar 2006, aufgerufen am 18. Dezember 2012
- Theft of the Cellini Salt Cellar Fahndungsseite des FBI (Memento vom 24. September 2010 im Internet Archive)
- Saliera-Dieb wird vorzeitig aus der Haft entlassen. (Die Presse, Print-Ausgabe vom 14. August 2008)
- Ernst Geiger, Chefermittler des "Saliera"-Diebstahls bestätigt Aussagen von KHM-Direktor Wilfried Seipel: Alarmanlage des Kunsthistorischen Museums war am damaligen Stand der Technik. Abgerufen am 24. Januar 2021.
- Katalog der Deutschen Nationalbibliothek. Abgerufen am 9. Februar 2020.