Republik der Sieben Vereinigten Provinzen
Die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen, auch bekannt als Vereinigte Niederlande bzw. Republik der Vereinigten Niederlande (niederländisch Republiek der Zeven Verenigde Provinciën oder Verenigde Nederlanden) oder als Generalstaaten, aber auch mit dem Begriff Belgica Foederata, war ein frühneuzeitliches Staatswesen auf dem Gebiet der nördlichen Niederlande und ein Vorläufer des heutigen niederländischen Staates.
Republiek der Zeven Verenigde Provinciën | |||||
Republik der Sieben Vereinigten Provinzen | |||||
1581–1795 | |||||
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Amtssprache | Niederländisch | ||||
Hauptstadt | Keine; de facto Den Haag | ||||
Die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen ging 1581 aus der Rebellion der habsburgischen Niederlande gegen Philipp II. von Spanien hervor und erkämpfte sich im Achtzigjährigen Krieg (mit Pausen bis 1648) ihre vollständige Unabhängigkeit von den spanischen Habsburgern. Die Republik, eigentlich ein eher loses, wenn auch dauerhaftes Bündnis von mehr oder weniger eigenständigen Kleinstaaten, bestand als eine der wenigen und bekanntesten Republiken der Frühen Neuzeit bis zum Jahr 1795, als sie im Zuge des französischen Revolutionsexports durch die neue Batavische Republik ersetzt wurde.
Geschichte
Vorgeschichte
Die gesamten Siebzehn Provinzen der Burgundischen Niederlande, die neben den heutigen Niederlanden auch das heutige Belgien und Luxemburg umfassten, waren 1477 an das Haus Habsburg gefallen. Zum überwiegenden Teil gehörten sie dem Heiligen Römischen Reich an (formell bis 1648). Nach der Reformation kam es unter dem katholischen spanischen Monarchen Philipp II. (1556–1598) zu heftigen religiösen Spannungen und zu Zentralisierungsversuchen, die 1568 in den niederländischen Unabhängigkeitskrieg, den sogenannten Achtzigjährigen Krieg, mündeten, in dem die niederländischen Provinzen ihre örtlichen Privilegien gegen die vom spanischen Habsburgerkönig und dessen Statthaltern forcierten Übergriffe der Zentralgewalt zu verteidigen suchten.
Entstehung
Im Verlauf des Achtzigjährigen Krieges zwischen den Spaniern und den Niederländern kam es zur Spaltung der siebzehn Provinzen und zur Gründung der Utrechter Union im Jahr 1579, indem verschiedene nördliche Provinzen und Städte ein Defensivbündnis gegen Philipp II. schlossen. Im Jahr 1581 sagten sich die nördlichen Niederlande im Plakkaat van Verlatinghe offiziell vom spanischen Monarchen los und setzten ihn als ihren Souverän ab. Dies gilt als die Geburtsstunde der Vereinigten Niederlande.[1]
Obwohl die nördlichen Niederlande nun über keinen Monarchen mehr verfügten, bedeutete dies noch keine Vorentscheidung für die in der Frühen Neuzeit eher ungewöhnliche, wenn auch nicht unbekannte republikanische Staatsform. Stattdessen suchten die Niederländer in der Folge nach einem neuen fürstlichen Souverän, der die Provinzen in ihrem Kampf gegen die Habsburger unterstützen, die Privilegien und hergebrachten Rechte der niederländischen Stände aber nicht einschränken sollte. Nacheinander wandten sich die Niederländer an François de Valois, den Bruder des französischen Königs Heinrich III., und an die englische Königin Elisabeth I. (die die Niederlande 1585/86 unter dem Generalgouverneur Robert Dudley, 1. Earl of Leicester, de facto zu einem Protektorat machte). Beide Allianzen scheiterten jedoch letztlich am Widerstand der holländischen Regentenoligarchie gegen die jeweiligen Zentralisierungsversuche. Erst dieses Scheitern bedeutete letztlich die Entscheidung für eine republikanische Staatsform und den Verzicht auf einen fürstlichen Souverän als Schutzherrn.
Wenn auch die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen spätestens nach dem Ende der englischen Protektoratszeit 1587 de facto unabhängig geworden war und in der Folgezeit einen eindrucksvollen Aufstieg zur ökonomischen, kulturellen und politischen Großmacht (vgl. Goldenes Zeitalter) erlebte, blieb der völkerrechtliche Status der noch immer von Spanien beanspruchten Provinzen bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts umstritten. Erst das Ende des Achtzigjährigen Krieges mit Spanien im Westfälischen Frieden 1648 brachte den Vereinigten Niederlanden die offizielle Anerkennung als unabhängiger souveräner Staat.
Konstitutionelle Gestalt und Entwicklung
Die Republik der Vereinigten Niederlande verfügte über keine geschriebene Verfassung. Stattdessen beruhte die äußerst komplexe verfassungsmäßige Gestalt des Staatswesens auf den Bestimmungen der eher als Defensivbündnis gedachten Utrechter Union von 1579 sowie überkommenen Gewohnheitsrechten. Neben augenfälligen republikanischen Verfassungselementen (so enthielt sie keine Regelung bzgl. eines fürstlichen Souveräns) gab es dennoch auch dynastische, monarchische bzw. quasi-monarchische Elemente. Dazu gehört v. a. die Position des Statthalters, der, mit militärischer Befehlsgewalt und Sonderrechten ausgestattet, eine wichtige Rolle als Machtfaktor (v. a. in Kriegszeiten), aber auch als Identifikationsfigur mit integrativer Funktion für die gesamte Republik spielte.
Die Republik war kein Zentralstaat, sondern eine Konföderation von Provinzen, die sich jeweils als souverän verstanden und nur bestimmte Angelegenheiten – etwa die Landesverteidigung oder die Außenpolitik – gemeinsam auf Bundesebene entschieden. Höchstes gemeinsames Organ waren die Generalstaaten als Ständeversammlung, in die die einzelnen Provinzen Vertreter mit imperativem Mandat entsandten und die das Gemeinwesen nach außen hin repräsentierte. Die sieben Provinzen waren Holland, Zeeland, Groningen, Utrecht, Friesland, Gelderland und Overijssel. Diese existieren heute noch in fast gleicher Form als Teil des Königreiches der Niederlande. Daneben war auch die Provinz Drente, die immer noch im Schatten der anderen Provinzen steht, ein Teil dieses Bundes, jedoch ohne Stimmrecht in den Generalstaaten. Hinzu kam das gemeinsam verwaltete Gebiet der Generalitätslande, das im Laufe des Krieges gegen Spanien erobert wurde.
Wichtigste Provinz der Union war die Provinz Holland, die durch ihre wirtschaftliche Macht eine Hegemonialstellung einnahm und auch nach außen hin als entscheidende Kraft auftrat. Innerhalb Hollands und damit auch innerhalb des Gesamtstaates wiederum dominierte die kleine städtische Führungsschicht der Regenten, die das Erscheinungsbild der Niederlande als städtisch-dominierte Oligarchenherrschaft prägte. Das wichtigste Gegengewicht gegen diese Oligarchen-Elite stellte der Statthalter dar, der traditionell aus dem Haus Oranien stammte und über weite Strecken der Geschichte der Republik die Rolle eines Quasi-Monarchen spielte. Der ständige Konflikt zwischen der Person des Statthalters bzw. seinen Anhängern, den so genannten Orangisten, und den oligarchischen Regenten spiegelt sich v. a. in den Statthalterlosen Zeiten (1650–1672 und 1702–1747) wider, in denen die wichtigsten Provinzen Holland, Zeeland und Utrecht nach harten Machtkämpfen ganz auf einen Statthalter verzichteten. Erst nach der zweiten statthalterlosen Zeit wurde mit der orangistischen Restauration von 1747 und der Ernennung Wilhelms IV. von Oranien zum Statthalter aller Provinzen das Statthalteramt auch offiziell erblich.[2]
Ende der Republik
Nach der orangistischen Restauration unter Wilhelm IV. und seinem seit 1751 als Statthalter amtierenden Nachfolger Wilhelm V. von Oranien regte sich im Verlauf der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts insbesondere in aufgeklärten Kreisen, die nach mehr „demokratischer“ Mitbestimmung verlangten, zunehmend Widerstand gegen die bestehenden Machtstrukturen. Dabei erwies sich das in die Jahre gekommene institutionelle Gefüge der Republik als unfähig und unwillig zu Reformen, die den Staat gegen den wachsenden revolutionären Druck hätten schützen können. Nach der gescheiterten demokratisch-„patriotischen“ Revolte gegen die Oranier von 1785 und der erneuten Restauration von 1787 kam es 1793 schließlich zur Kriegserklärung des revolutionären Frankreichs und 1794/95 zur Invasion französischer Truppen in den Niederlanden und zur Vertreibung der Oranier.[3] In der Folge wurde die alte Republik als französischer Revolutionsexport durch Exilanten der 1780er Jahre gestürzt und durch die neue Batavische Republik ersetzt, die als französische Tochterrepublik und Einheitsstaat mit dem alten System brach und auch in den Niederlanden zahlreiche Neuerungen der Französischen Republik einführte. Die Batavische Republik bestand bis 1806, ehe sie durch das napoleonische Königreich Holland abgelöst wurde.
An die Tradition der alten Republik wurde im 1814/15 gebildeten Vereinigten Königreich der Niederlande insofern angeknüpft, als Wilhelm VI. von Oranien, der Sohn des letzten Erbstatthalters Wilhelm V., zum König der Niederlande erhoben wurde. Die Provinzen erhielten jedoch ihre einstige Machtstellung nicht zurück, und die Niederlande blieben bis heute eine Monarchie.
Provinzen
Die sieben Provinzen mit ihrer Fläche in geographischen Quadratmeilen und der Einwohnerzahl mit einem Stand 1795:[4][5][6]
Provinz | Fläche QM | Einwohner | Zugehörend |
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Friesland | 55 | 161.513 | 11 Städte, 336 Flecken und Dörfer |
Gelderland | 115 | 217.828 | 20 Städte, 2 Flecken |
Groningen | 40 | 114.555 | 3 Städte, 165 Dörfer |
Holland | 125 | 828.542 | 37 Städte, 3 Flecken, 400 Dörfer |
Overijssel | 112 | 135.060 | 16 Städte, 165 Dörfer |
Utrecht | 32 | 92.964 | 5 Städte, 65 Flecken und Dörfer |
Zeeland | 30 | 82.212 | 11 Städte, 110 Flecken und Dörfer |
Hinzu kamen:
- Landschaft Drente: 39.673 Einwohner
- Noord-Brabant: 210.723 Einwohner
Damit lebten 44 Prozent der Gesamtbevölkerung von 1,88 Millionen in der Provinz Holland.
Literatur
- Hoftijzer, Paul G., The Dutch Republic, Centre of the European Book Trade in the 17th Century, EGO - European History Online, Mainz: Institute of European History, 2015, abgerufen am 8. März 2020 (pdf).
- Thorsten Holzhauser: Drei Fragen zum Staats- und Verfassungssystem der Vereinigten Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert (URN: urn:nbn:de:0289-2011051832). In: Skriptum 1 (2011). ISSN 2192-4457. (Artikel unter Creative-Commons-Lizenz verfügbar)
- Jonathan Israel: The Dutch Republic. Its Rise, Greatness, and Fall 1477–1806. Oxford 1995.
- Jan A. F. de Jongste: Ein Bündnis von sieben souveränen Provinzen: Die Republik der Vereinigten Niederlande. In: Thomas Fröschl (Hrsg.): Föderationsmodelle und Unionsstrukturen. Über Staatsverbindungen in der frühen Neuzeit vom 15. zum 18. Jahrhundert. Wien/München 1994 (= Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit, Bd. 21/1994), S. 127–141.
- Michael North: Geschichte der Niederlande. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-41878-5.
- J. L. Price: Holland and the Dutch Republic in the Seventeenth Century. The Politics of Particularism. Oxford 1994.
Weblinks
Einzelnachweise
- Horst Lademacher: Geschichte der Niederlande. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, ISBN 3-534-07082-8, S. 76.
- Horst Lademacher: Geschichte der Niederlande. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S. 176.
- Horst Lademacher: Geschichte der Niederlande. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1983, S. 210.
- Johann Adolph Friedrich Randel: Statistische Übersicht der vornehmsten teutschen und sämmtlichen europäischen Staaten, 1786 s. 114 (Google Books)
- Albrecht Christoph Kayser: Hollands Staatsverfassung bis zu ihrer Umänderung durch die Franzosen im Jänner 1795, Hof: Grau 1795, Anhang I. (Landesbibliothek Münster)
- Carl von Rotteck: Allgemeine politische Annalen, Band 7, Cotta’sche Buchhandlung, 1831, S. 99 (Google Books)