Landesverrat
Der Landesverrat ist in der Regel als Verbrechen gegen den Staat definiert. Er findet sich als Straftatbestand in den Gesetzbüchern der meisten unabhängigen Staaten.
Deutschland
Aktuelle Strafnorm
Nach deutschem Strafrecht ist Landesverrat ein in § 94 StGB definiertes Verbrechen, das sich gegen die äußere Sicherheit und den Bestand des Staates richtet. Das Delikt des Landesverrates ist die Kernstraftat der Spionage. Landesverrat begeht, wer ein Staatsgeheimnis einer fremden Macht oder einem ihrer Mittelsmänner mitteilt oder sonst an einen Unbefugten gelangen lässt oder öffentlich bekanntmacht, um die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen, und dadurch die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland herbeiführt. Staatsgeheimnisse sind gemäß § 93 StGB Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und vor einer fremden Macht geheim gehalten werden müssen, um die Gefahr eines schweren Nachteils für die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland abzuwenden. Eine solche Gefahr besteht zum Beispiel, wenn eine fremde Macht durch das Geheimnis die Schlagkraft der Bundeswehr mindern kann.[1]
Aus der Definition folgt, dass Industrie- und Wirtschaftsspionage nicht vom Tatbestand des Landesverrats erfasst werden, es sei denn, ihr Verrat hat zugleich Auswirkungen auf die äußere Sicherheit.[2] Eine Bestrafung erfordert mindestens bedingten Vorsatz, mit Ausnahme des § 94 Abs. 1 Nr. 2 StGB, der die Absicht voraussetzt, die Bundesrepublik Deutschland zu benachteiligen oder eine fremde Macht zu begünstigen.[3]
Wie ein Landesverräter bestraft wird nach § 97a StGB auch, wer illegal Geheimnisse im Sinne des § 93 Abs. 2 StGB an eine fremde Macht weitergibt.
„Fremde Macht“ ist dabei in allen Fällen eine fremde Regierung oder eine ähnliche mit entsprechenden Machtmitteln ausgerüstete Institution außerhalb der Bundesrepublik.[4]
Zum Landesverrat im weiteren Sinne – im Strafgesetzbuch unter dem Begriff „Gefährdung der äußeren Sicherheit“ zusammengefasst – zu zählen sind das Offenbaren von Staatsgeheimnissen (§ 95 StGB), die landesverräterische Ausspähung (§ 96 StGB) als Vorbereitungshandlung zum Landesverrat, die Preisgabe von Staatsgeheimnissen und die landesverräterische Fälschung (§ 100a StGB). Der Spion selbst kann bereits im Vorfeld des eigentlichen Verrats wegen landesverräterischer Agententätigkeit oder wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit nach § 98, § 99 StGB bestraft werden.
Häufig als obsolet wird der § 353a StGB angesehen: Vertrauensbruch im auswärtigen Dienst.[5]
Bekannte Vorwürfe
Die spektakulärsten Anschuldigungen von Landesverrat in der deutschen Geschichte waren der Leipziger Hochverratsprozess in der Gründungszeit des Kaiserreichs, der Weltbühne-Prozess in der Weimarer Republik und die Spiegel-Affäre 1962. Darüber hinaus zählen auch die wegen Landesverrats verurteilten MfS-Spione Günter Guillaume (1975) und Klaus Kuron (1992) dazu. Es gab auch Ermittlungen um 1982 gegen die Zeitschrift Konkret.[6]
Im Juli 2015 wurde bekannt, dass Generalbundesanwalt Harald Range auf eine Anzeige durch Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hin ein Strafverfahren gegen zwei Journalisten des Blogs netzpolitik.org und deren unbekannte Quelle eingeleitet hat. Grund hierfür ist die Veröffentlichung eines vom Verfassungsschutz selbst auf den zweitniedrigsten Geheimhaltungsgrad „VS-VERTRAULICH“ (VS-Vertr.) eingestuften Dokuments, aus dem hervorgeht, dass den Staatsschützern 2,75 Millionen Euro für die Massendatenerfassung aus einem geheimen staatlichen Haushaltsfonds zur Verfügung stehen.[7][8] Ein erstes Gutachten zur Einstufung der Dokumente als Staatsgeheimnis wurde von Maaßen selbst erstellt.[9] Nach einer nationalen Welle der Empörung stoppte der Generalbundesanwalt am 31. Juli 2015 vorerst die Ermittlungen, bis ein Gutachten zur Strafbarkeit der Veröffentlichung der Dokumente abgeschlossen ist.[10] Eine vorläufige Einschätzung des externen Gutachters stützte die juristische Auffassung des Generalbundesanwalts und stufte die veröffentlichten Dokumente als Staatsgeheimnis ein. Laut Range hat nach Weiterleitung dieses Ergebnisses das Justizministerium die Generalbundesanwaltschaft angewiesen, das vollständige Gutachten nicht erstellen zu lassen.[11] Das Justizministerium widersprach in der Folge dieser Darstellung und erklärte, die Entscheidung, das Gutachten nicht erstellen zu lassen, sei bereits Tage zuvor, als noch keine vorläufigen Ergebnisse vorlagen, im Einvernehmen mit Range getroffen worden.[12] Der Konflikt in der Sache wurde von Justizminister Heiko Maas als Anlass genommen, Ranges Versetzung in den Ruhestand einzuleiten.[12] Das Verfahren wurde am 10. August 2015 eingestellt.[13]
Zur Anklage wegen zweifachen Landesverrats kam es im August 2015 gegen den mutmaßlichen CIA-Agenten Markus R. Dem am 2. Juli 2014 festgenommenen BND-Mitarbeiter wird vorgeworfen, sowohl für den US-Geheimdienst CIA spioniert zu haben, als auch der Russischen Föderation geheime Informationen übermittelt zu haben.[14]
Preußen
In Preußen gab es seit der Einführung des Allgemeinen Landrechts im Jahr 1794 zwei Klassifizierungen dieser Straftat: Wer es unternahm, ganze Landesteile, Heeresteile oder Festungen in feindliche Hand zu begeben, wurde als Landesverräter erster Klasse mit dem Tod durch Rädern von unten bestraft.[15]
Unternehmen minderer Wichtigkeit zur Begünstigung eines Feindes des Staates wurden als Landesverrat zweiter Klasse bestraft. Hierzu zählten: Beihilfe zum Angriff oder Behinderung der Verteidigung (Tod durch Strang), Durchführung von Aufruhr in Festungen oder Verderbung von Magazinen oder Vorratshäusern (Tod durch Rädern von oben), vorsätzliche Brandstiftung von Städten, Dörfern, Vorratshäusern oder offenen Magazinen (Tod durch Verbrennen), Unterstützung des Feindes durch Kriegsmittel oder Lebensmittel (Tod durch das Schwert), Kundschaftung für den Feind oder Übermittlung kriegswichtiger Nachrichten (Tod durch den Strang) und Verbergen feindlicher Kundschafter (4–6 Jahre Festungshaft).[16]
Bayern
In Bayern galt seit der Einführung des Strafgesetzbuchs für das Königreich Bayern 1861 jener als Landesverräter, der, sich in Bayern aufhaltend oder in bayerischen Diensten stehend, eine ausländische Macht zu einem Krieg gegen das Königreich Bayern aufrührt. Kommt es zu diesem Krieg, soll die Strafe der Tod sein, andernfalls Zuchthaus nicht unter acht Jahren.[17]
DDR
Das Strafgesetzbuch der DDR wertete als „Landesverrat“ auch die Weitergabe der Informationen, die nicht der Geheimhaltung unterliegen, deren Bekanntwerden außerhalb der DDR aber dem Ruf des Landes abträglich sind. Die Norm hatte folgenden Wortlaut:
- § 99. Landesverräterische Nachrichtenübermittlung.
- (1) Wer der Geheimhaltung nicht unterliegende Nachrichten zum Nachteil der Interessen der Deutschen Demokratischen Republik an die im § 97 genannten Stellen oder Personen (= ausländische Stellen und Personen) übergibt, für diese sammelt oder ihnen zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zwölf Jahren bestraft.
- (2) Vorbereitung und Versuch sind strafbar.
Österreich
In Österreich sind die einschlägigen Delikte im 16. Abschnitt des Strafgesetzbuchs (StGB) unter dem Titel „Landesverrat“ zusammengefasst. Zentrale Norm ist der § 252 StGB:
Verrat von Staatsgeheimnissen
- § 252.
- (1) Wer einer fremden Macht oder einer über- oder zwischenstaatlichen Einrichtung ein Staatsgeheimnis bekannt oder zugänglich macht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
- (2) Wer der Öffentlichkeit ein Staatsgeheimnis bekannt oder zugänglich macht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Betrifft das Staatsgeheimnis verfassungsgefährdende Tatsachen (Abs. 3), so ist der Täter jedoch nur zu bestrafen, wenn er in der Absicht handelt, der Republik Österreich einen Nachteil zuzufügen. Die irrtümliche Annahme verfassungsgefährdender Tatsachen befreit den Täter nicht von Strafe.
- (3) Verfassungsgefährdende Tatsachen sind solche, die Bestrebungen offenbaren, in verfassungswidriger Weise den demokratischen, bundesstaatlichen oder rechtsstaatlichen Aufbau der Republik Österreich zu beseitigen, deren dauernde Neutralität aufzuheben oder ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht abzuschaffen oder einzuschränken oder wiederholt gegen ein solches Recht zu verstoßen.
Schweiz
In der Schweiz wird zwischen diplomatischem (zivilem) und militärischem Landesverrat unterschieden.
Diplomatischer Landesverrat
Der diplomatische Landesverrat ist unter dem Titel Verbrechen und Vergehen gegen den Staat und die Landesverteidigung in Art. 267 Ziff. 1–3 des schweizerischen Strafgesetzbuches (StGB) festgehalten:
- Wer vorsätzlich ein Geheimnis, dessen Bewahrung zum Wohle der Eidgenossenschaft geboten ist, einem fremden Staate oder dessen Agenten bekannt oder zugänglich macht, wer Urkunden oder Beweismittel, die sich auf Rechtsverhältnisse zwischen der Eidgenossenschaft oder einem Kanton und einem ausländischen Staate beziehen, verfälscht, vernichtet, beiseiteschafft oder entwendet und dadurch die Interessen der Eidgenossenschaft oder des Kantons vorsätzlich gefährdet, wer als Bevollmächtigter der Eidgenossenschaft vorsätzlich Unterhandlungen mit einer auswärtigen Regierung zum Nachteile der Eidgenossenschaft führt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
- Wer vorsätzlich ein Geheimnis, dessen Bewahrung zum Wohle der Eidgenossenschaft geboten ist, der Öffentlichkeit bekannt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.
- Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Militärischer Landesverrat
Der militärische Landesverrat ist unter dem Titel Verbrechen oder Vergehen gegen die Landesverteidigung und gegen die Wehrkraft des Landes in Art. 87 Ziff. 1–4 des Militärstrafgesetzes (MStG) festgehalten:
- Wer vorsätzlich in einer Zeit, da Truppen zum aktiven Dienste aufgeboten sind, die Unternehmungen der schweizerischen Armee unmittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere der Armee dienende Verkehrs- oder Nachrichtenmittel, Anlagen oder Sachen beschädigt oder vernichtet, oder den Betrieb von Anstalten, die der Armee dienen, hindert oder stört, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bestraft.
- Wer vorsätzlich in einer Zeit, da Truppen zum aktiven Dienste aufgeboten sind, die Unternehmungen der schweizerischen Armee mittelbar stört oder gefährdet, wer insbesondere die öffentliche Ordnung stört oder Betriebe, die für die Allgemeinheit oder die Armeeverwaltung wichtig sind, hindert oder stört, wird mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft.
- In schweren Fällen kann auf lebenslängliche Freiheitsstrafe erkannt werden.
- Handelt der Täter fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe.
Siehe auch
Literatur
- Gerhard Jungfer, Ingo Müller: 70 Jahre Weltbühnen-Urteil. In: Neue Juristische Wochenschrift. 2001, S. 3461–3465.
- Ingo Müller: Der berühmte Fall Ossietzky vom Jahr 1930 könnte sich jederzeit wiederholen… In: Hans-Ernst Böttcher (Hrsg.): Recht Justiz Kritik. Festschrift für Richard Schmid zum 85. Geburtstag. Nomos Verlag, Baden-Baden 1985, ISBN 3-7890-1092-8, S. 297–326.
Weblinks
- Literatur von und über Landesverrat im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Schweiz
Einzelnachweise
- Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 94 StGB, Rn. 6.
- Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 93 StGB, Rn. 7.
- Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 94 StGB, Rn. 7.
- Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 93 StGB, Rn. 6.
- Vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 353a StGB, Rn. 1: „keine praktische Bedeutung“.
- Christian Rath: „Operation Eva“, taz.de, 10. August 2015.
- Stefan Krempl: Vorwurf Landesverrat: Generalbundesanwalt ermittelt gegen Netzpolitik.org – heise online. In: heise.de. 30. Juli 2015, abgerufen am 31. Juli 2015.
- Andre Meister: „Verdacht des Landesverrats“: Generalbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen. In: netzpolitik.org. 30. Juli 2015, abgerufen am 31. Juli 2015.
- Der Verfassungsschutz im Fall Netzpolitik.org – Und was ist mit Maaßen? In: tagesschau.de. 3. August 2015, archiviert vom Original am 5. August 2015; abgerufen am 5. August 2015.
- Reinhard Müller, Jonas Jansen: Generalbundesanwalt stoppt Ermittlungen gegen Journalisten – vorerst, FAZ vom 31. Juli 2015.
- Erklärung des Generalbundesanwalts zu den Ermittlungen wegen der möglicherweise strafbaren öffentlichen Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses. (Pressemitteilung) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 4. August 2015, archiviert vom Original am 23. August 2015; abgerufen am 23. August 2015.
- Maas versetzt Range in den Ruhestand. In: zeit.de. 4. August 2015, abgerufen am 4. August 2015.
- Generalbundesanwalt stellt Ermittlungen gegen Netzpolitik.org ein. In: Süddeutsche Zeitung. 10. August 2015, abgerufen am 11. August 2015.
- Anklage wegen Landesverrats und anderer Straftaten. (Pressemitteilung) Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, 20. August 2015, archiviert vom Original am 23. August 2015; abgerufen am 23. August 2015.
- Preußisches Allgemeines Landrecht Titel 20 §§ 100–103 (PDF; 660 kB)
- Preußisches Allgemeines Landrecht Titel 20 §§ 104–112 (PDF; 660 kB)
- Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern Art. 110