Länder der Böhmischen Krone
Als Länder der Böhmischen Krone (auch Krone Böhmen(s); Böhmische Krone, böhmische Kronländer; tschechisch Česká koruna, země Koruny české; lateinisch Corona Bohemiae, Corona Regni Bohemiae) bezeichnet man die Gesamtheit der Länder, die mit dem Königreich Böhmen durch den gemeinsamen Herrscher sowie über Lehensbeziehungen verbunden waren. Mit der Böhmischen Krone ist nicht die materielle Krone, die Wenzelskrone, gemeint, die dem König aufs Haupt gesetzt wurde, sondern die königliche Herrschaft, die in Verbindung mit der Ständeordnung das böhmische Staatswesen darstellte. Der Begriff war bis zum Ende der Habsburgermonarchie (1918), zu der die Länder der Böhmischen Krone seit 1526 gehörten, üblich.
Länder der Böhmischen Krone | |||||
Reichsstände Heiligen Römischen Reiches (1348–1806) Kaisertum Österreich (1804–67) Cisleithanien in Österreich-Ungarn (1867–1918) | |||||
Země koruny české | |||||
1348–1918 | |||||
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im Heiligen Römischen Reich (1618) | |||||
Hauptstadt | Prag | ||||
Heute Teil von | Tschechien, Deutschland, Polen | ||||
Geschichte | |||||
• Entstehung | 1348 | ||||
• Ende | 1918 | ||||
Geschichte
Hochmittelalter
Im 12. und 13. Jahrhundert waren nur Böhmen, die Markgrafschaft Mähren und die Grafschaft Glatz auf Dauer miteinander verbunden. Unter den Luxemburger Königen Johann und Karl IV. kamen die seit 1202 vom polnischen Staatsverband politisch und dynastisch unabhängigen schlesischen Herzogtümer,[1] die Ober- und die Niederlausitz sowie eine Vielzahl von kleineren Reichslehen hinzu. Im Vertrag von Trentschin 1335 verzichtete der polnische König Kasimir der Große gegenüber König Johann von Böhmen endgültig auf die Lehnshoheit über Schlesien, nachdem zuvor schon viele schlesische Teilfürsten die böhmische Oberhoheit anerkannt hatten. Mit dem Vertrag von Namslau wurde am 22. November 1348 der Trentschiner Vertrag bekräftigt. Die förmliche Verbindung einzelner Territorien mit der Krone Böhmens bezeichnete man als Inkorporationen.
Spätmittelalter
Karl IV. verfügte, dass die Länderverbindung unabhängig von den dynastischen Entwicklungen Bestand haben sollte, auch wenn die Luxemburger einmal aussterben sollten. Das wurde auch unter den Habsburgern beibehalten, seit Ferdinand I. 1526 die Länder der Böhmischen Krone für das Haus Habsburg erbte. In der Habsburgermonarchie bildeten diese Länder wie die Länder der ungarischen Krone und die österreichischen Erbländer einen der drei Hauptteile des mitteleuropäischen Herrschaftsbereichs dieser Dynastie.
Die Böhmische Krone war weder eine bloße Personalunion noch eine Föderation gleichberechtigter Mitglieder. Stattdessen galten das Königreich Böhmen und seine Stände als Haupt, die anderen Länder als die Glieder. Während die Böhmen den Unterschied zwischen Hauptland und Nebenländern hervorhoben und neben der Führungsrolle im Inneren nach außen die Alleinvertretung des Staates beanspruchten, betonten Mährer, Schlesier und Lausitzer die politische Autonomie ihrer Länder, die sich schließlich freiwillig mit Böhmen vereinigt hätten.
Die Führungsrolle Böhmens wurde von den Ständen der Nebenländer nicht grundsätzlich in Frage gestellt, wenngleich sie seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts beharrlich mehr Rechte, zum Beispiel die Beteiligung an der Königswahl, forderten. Das hing mit der schwächelnden ökonomisch-politischen Situation des Königreichs Böhmen nicht zuletzt infolge der Hussitenkriege zusammen. Nach 1620 verloren diese Rivalitäten an Bedeutung, da sich die Länder der Böhmischen Krone in eine weitaus größere Gesamtmonarchie einzufügen hatten.
Mit der formellen Anerkennung der Hussiten durch den katholischen König im Jahr 1436 hatte sich das Königreich Böhmen in seiner Nachbarschaft religionspolitisch weitgehend isoliert. Ungarn führte in den Jahren von 1468 bis 1478 aus (teilweise) religiösen Gründen sogar einen Krieg gegen Böhmen. Nur die Markgrafschaft Mähren, die durch Katholiken verwaltet wurde, obwohl die Anerkennung formal auch hier gültig war, konnte der Isolierung weitenteils entgehen. Dieses politische Problem bestand bis zur Reformation in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als im Reich ein protestantisches Lager entstand und die Markgrafschaft Niederlausitz und einige Herzogtümer in Schlesien wenig später das Luthertum annahmen.
Frühe Neuzeit
1575 entstand im Auftrag der nichtkatholischen Länder der Böhmischen Krone die durch hussistische Neuutraquisten und Lutheraner verfasste Confessio Bohemica. Zwar gelang die Bildung einer Landeskirche nicht, aber mit dem Majestätsbrief von 1609 wurde gegen den Druck der Gegenreformation eine Zulassung des protestantischen Glaubens in den böhmischen Kronländern erreicht. Die Gefährdung dieses Erfolgs der protestantischen Stände war schon bald Anlass für den böhmischen Aufstand, der den Dreißigjährigen Krieg auslöste.
Außer dem König verfügte die Böhmische Krone über keine gemeinsamen Staatsorgane, was in Krisenzeiten ein großer Nachteil war. Nur selten trafen sich die Stände aller Länder zu Generallandtagen. Lediglich die böhmische Hofkanzlei unter Führung des Oberstkanzlers, der den böhmischen Landesämtern vorstand, war für alle Länder der Krone zuständig. Die Kanzlei wurde 1620 von Prag nach Wien verlegt, wo das 1714 für sie eröffnete Gebäude bis heute unter diesem Namen besteht.
Obwohl kaum Institutionen vorhanden waren, kam es vor allem im 16. Jahrhundert zu immer engeren politischen Verbindungen zwischen den Ländern der Böhmischen Krone. Zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges schien es, als könnte mit der Confoederatio Bohemica das politische System der Böhmischen Krone entscheidend modernisiert werden. Mit der von den Kaiserlichen gewonnenen Schlacht am Weißen Berg (1620) war dieses Verfassungsexperiment allerdings schnell beendet.
In der Folgezeit verlor die Krone Böhmen als Staatskonstrukt in der frühneuzeitlichen Habsburgermonarchie immer stärker an Bedeutung. Schon 1635 war im Prager Frieden die Lausitz herausgelöst und an Sachsen gegeben worden. Die Ereignisse nach 1620 bewirkten einen langanhaltenden politischen Niedergang der tschechischen Staatsnation Böhmens, die tschechische Sprache wurde zunehmend vom Deutschen verdrängt.
In den Schlesischen Kriegen verlor Österreich Mitte des 18. Jahrhunderts den größten Teil Schlesiens und die Grafschaft Glatz an Preußen. Der bei Österreich verbliebene Rest Schlesiens wurde als Herzogtum Ober- und Niederschlesien im Hof- und Staatskalender bis 1918 als Land der Böhmischen Krone geführt; besondere Rechte der Kronländer Böhmen, Mähren und Österreichisch-Schlesien in Cisleithanien bestanden aber nicht.
Auswirkungen
Beim Auseinanderfallen Cisleithaniens bzw. Österreich-Ungarns im Oktober/November 1918 setzten die Tschechen, wie von ihren Exilpolitikern seit 1916 mit der Triple-Entente vereinbart, für den Westteil der Tschechoslowakischen Republik die Grenzen der Länder der Böhmischen Krone durch. Die Berufung Deutschösterreichs auf das von Woodrow Wilson verkündete Selbstbestimmungsrecht der Völker blieb für Deutschböhmen, Deutschmährer und Österreichisch-Schlesier erfolglos.
Die Länder der Böhmischen Krone bilden seit 1993 mit kleinen Abweichungen beispielsweise in Valtice/Feldsberg oder im Olsa-Gebiet das heutige Tschechien.
Karten
Territorien
Land | Hauptstadt | Ethnien | Religion | Anmerkungen | Karte | Wappen |
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Königreich Böhmen | Prag | Böhmer (Tschechen), Deutsche | römisch-katholisch, Hussiten und Täufer (15./17. Jh.), Lutheraner | 895 unter den Přemysliden Herzogtum, 1085 Königreich, seit dem 14. Jh. Kurfürstentum des Heiligen Römischen Reiches, seit 1526 mit allen Kronländern Teil der [[Habsburgermonarchie|habsburgischen Erblande]], 1918 aufgelöst | ||
Markgrafschaft Mähren | Brünn, früher auch Olmütz | Mährer (Tschechen), Deutsche | römisch-katholisch, Hussiten und Täufer (15./17. Jh.), Lutheraner | um 907 aus Großmähren entstanden, seit 1031 bei Böhmen | ||
Herzogtümer in Schlesien | Breslau, dann Troppau | Deutsche, Tschechen (Böhmer und Mährer), Polen |
römisch-katholisch, Lutheraner | 1138 polnisches Herzogtum, zerfällt ab 1249 in zahlreiche Teilgebiete, alle bis 1348 zu Böhmen, der größere Teil nach der Teilung Schlesiens als Ergebnis des Ersten Schlesischen Krieges 1742 bzw. 1763 preußisch, der Rest Österreichisch-Schlesien (Ober- und Niederschlesien) | ||
Markgrafschaft Niederlausitz | Lübben | Deutsche, Sorben | erst römisch-katholisch, dann Lutheraner | Markgrafschaft Lausitz seit dem 10. Jh., 1370 nach Böhmen inkorporiert,[2] bereits um 1540 weitgehend evangelisch geworden,[3] 1635 an das Kurfürstentum Sachsen abgetreten | ||
Markgrafschaft Oberlausitz | Bautzen | Deutsche, Sorben | Lutheraner, römisch-katholisch | ab dem 12. Jh. als Land Budissin erstmals böhmisch, 1329 erneut zu Böhmen, seit dem 15. Jh. als Oberlausitz bezeichnet, 1635 an das Kurfürstentum Sachsen abgetreten |
Siehe auch
Literatur
- Marie Bláhová, Jan Frolík, Naďa Profantová u. a. (Hrsg.): Velké dějiny zemí Koruny české. Paseka, Prag 1999 ff., ISBN 80-7185-264-3.
- Band 1: Do roku 1197. Marie Bláhová, 1999, ISBN 80-7185-265-1.
- Band 2: 1197–1250. Vratislav Vaníček, 2000, ISBN 80-7185-273-2.
- Band 3: 1250–1310. Vratislav Vaníček, 2002, ISBN 80-7185-433-6.
- Bände 4a und 4b: 1310–1402. Lenka Bobková, Milena Bartlová, 2003, ISBN 80-7185-501-4 (Band 4a) / ISBN 80-7185-551-0 (Band 4b).
- Band 5: 1402–1437. Petr Čornej, 2000, ISBN 80-7185-296-1.
- Band 6: 1437–1526. Marie Bláhová, Jan Frolík, Naďa Profantová, 2007, ISBN 978-80-7185-873-7.
- Band 7: 1526–1618. Petr Vorel, 2005, ISBN 80-7185-648-7.
- Band 8:
- Band 9: 1683–1740. Pavel Bělina [u. a.], 2011, ISBN 978-80-7432-105-4.
- Band 10: 1740–1792. Pavel Bělina, Jiří Kaše, Jan P. Kučera, 2001, ISBN 80-7185-384-4.
- Band 11,a: 1792–1860. Antonín Klimek, 2013, ISBN 978-80-7432-347-8.
- Band 11,b: 1792–1860. Pavel Bělina, Jiři Kaše, Jan Pavel Kučera, Daniela Tinková, 2013, ISBN 978-80-7185-264-3.
- Band 12,a:
- Band 12,b: 1890–1918. Michael Borovička [u. a.], 2013, ISBN 978-80-7432-293-8.
- Band 13: 1918–1929. Marie Bláhová, Jan Frolík, Naďa Profantová [u. a.], 2000, ISBN 80-7185-264-3.
- Band 14: 1929–1938. Antonín Klimek, Petr Hofman, 2002, ISBN 80-7185-425-5.
- Band 15,b: 1938–1945. Antonín Klimek, Jan Gebhart, Jan Kuklík, 2006, ISBN 80-7185-264-3.
Fehlende Bände noch nicht erschienen
- Jaroslav Macek: Die Länder der böhmischen Krone und die habsburgische Politik in Ungarn und auf dem Balkan. In: Acta Historica Academiae Scientiarum Hungaricae (Zeitschrift der Ungarischen Akademie der Wissenschaften), Band 33 (1987), Nr. 2/4, ZDB-ID 1741-3, S. 237–250, JSTOR 42555580.
- Joachim Bahlcke: Regionalismus und Staatsintegration im Widerstreit. Die Länder der böhmischen Krone im ersten Jahrhundert der Habsburgerherrschaft (1526–1619) (= Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte. 3). Oldenbourg, München 1994, ISBN 3-486-56046-8.
- Arnold Spruck: Wittichenau und die Länder der böhmischen Krone. Geschichte einer Nachbarschaft über 760 Jahre (= Studien des Hauses Königstein. Band 1). Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2010, ISBN 978-3-87336-928-3.
Einzelnachweise
- Ulrich Schmilewski: Oppeln, Herzöge v. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S. 558 f. (Digitalisat).
- Marek Wejwoda: Spielball mächtiger Nachbarn. „Die Lausitzen“ im 14. Jahrhundert. In: Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann, Uwe Tresp (Hrsg.): Die Nieder- und Oberlausitz – Konturen einer Integrationslandschaft. Band I: Mittelalter (= Die Nieder- und Oberlausitz – Konturen einer Integrationslandschaft). 3 Bände, Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, Berlin 2013, ISBN 978-3-86732-160-0, S. 191–203, Inkorporation Mark Lausitz: S. 194.
- Die Reformation und die Sorben in der Niederlausitz. Verein für Berlin-Brandenburgische Kirchengeschichte. Abgerufen im August 2019.