Koma
Das Koma, lateinisch Coma (von altgriechisch κῶμα ‚tiefer Schlaf‘) ist eine über längere Zeit bestehende völlige Bewusstlosigkeit. In der Medizin ist ein voll ausgeprägtes Koma die schwerste Form einer quantitativen Bewusstseinsstörung, bei der ein Patient auch durch starke äußere Stimuli, wie wiederholte Schmerzreize, nicht geweckt werden kann. Ist dieser Zustand nicht voll ausgeprägt, spricht man von Sopor (Präkoma).
Klassifikation nach ICD-10 | |
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R40.2 | Koma, nicht näher bezeichnet |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Das Koma ist ein Symptom (Krankheitszeichen) und keine Krankheit. In der internationalen Klassifikation der Gesundheitsstörungen (ICD-10) wurde es daher in die Rubrik „R“ (Symptome und Befunde) eingeordnet (R40.2). Das Koma ist Ausdruck einer schweren Störung der Großhirnfunktion und zumeist lebensbedrohend. Die weitere Entwicklung (Prognose) des Komatösen ist von der zugrunde liegenden Erkrankung und medizinischen Versorgung abhängig.
Ursachen
Primäre Gehirn-Erkrankungen
- Schlaganfall (Gefäßverschluss oder Blutung)
- plötzliches Ereignis, Koma überwiegend bei Hirnstammschädigung
- Hirnblutungen können zur Bewusstlosigkeit führen, wenn sie den Hirnstamm direkt oder über eine generelle Druckerhöhung im Schädel schädigen.
- Schädel-Hirn-Trauma
- Koma besonders bei Hirnstammschädigung
- Meningitis / Enzephalitis
- entzündliche Erkrankung, meist mit hohem Fieber
- Entwicklung eines Komas, meist über Stunden
- epileptischer Anfall
- plötzliches Ereignis, meist spontane Erholung
- Hirntumor
- langsame Entwicklung – Koma meist durch erhöhten Hirndruck
Stoffwechselstörung – metabolisches Koma
- Zuckerstoffwechselstörung
- Unterzuckerung (Hypoglykämie)
- Überzuckerung (Hyperglykämie, diabetisches Koma, siehe Diabetes mellitus)
- Sauerstoffmangel (Hypoxie, Hypoxämie) oder CO2-Überschuss im Blut (Hyperkapnie)
- bei Sauerstoffaufnahmestörung (Atemwege, Lunge)
- bei Kreislaufversagen (nach wenigen Sekunden)
- Niereninsuffizienz (urämisches Koma, Coma uraemicum)
- Leberinsuffizienz (hepatisches Koma, Coma hepaticum)
- andere metabolische Ursachen (angeborene Stoffwechselstörungen usw.)
- hormonelle Ursachen (Hypophyseninsuffizienz, Nebenniereninsuffizienz, Myxödemkoma usw.)
Stromschlag
Komatiefe
Die Einteilung erfolgt nach klinischen Gesichtspunkten, also entsprechend der Reaktion auf bestimmte Reize. Je nach verwendeter Klassifikation werden zumeist drei bis vier Grade unterschieden:
- Grad – gezielte Abwehr auf Schmerz, Pupillenbewegung intakt, Augenbewegung bei Reizung des Gleichgewichtsorgans (Vestibulookulärer Reflex) intakt
- Grad – ungerichtete Abwehr auf Schmerz, Massenbewegungen, Außenschielen (divergente Augäpfel)
- Grad – keine Abwehr, nur noch Fluchtreflexe, Vestibulookulärer Reflex fehlt, Pupillenreaktion abgeschwächt
- Grad – keine Schmerzreaktion, keine Pupillenreaktion, Ausfall weiterer Schutzreflexe
In der Notfallmedizin etabliert ist die Glasgow-Koma-Skala – die auch als Entscheidungshilfe z. B. für Beatmung herangezogen wird. Sie umfasst auch leichtere Bewusstseinsstörungen.
Abgeleitete Begriffe
„Künstliches Koma“, „künstlicher Tiefschlaf“
Diese vor allem in den Medien genutzten Begriffe[2] bezeichnen eine medikamentös herbeigeführte Bewusstseinsminderung, die nach dem Absetzen der Arzneistoffe reversibel ist. Darum sollte hier die Benutzung des Begriffes Koma vermieden werden, da Koma im medizinischen Sinne einen ungeregelten Bewusstseinsverlust beschreibt. Treffender sind die Begriffe Sedierung oder Langzeit-Narkose. Sedierung ist ein kontrollierter Zustand. Patienten, die in schwierigen Phasen einer Intensivbehandlung betäubt werden, erhalten zu diesem Zweck Medikamente in wirkungsabhängiger Dosierung. Dabei werden, meist in Kombination, Medikamente mit verschiedener Wirkung eingesetzt: Beruhigungs- und Schlafmittel (Sedativa, Hypnotika, etwa Benzodiazepine oder Propofol), Schmerzmittel (Opioidanalgetika), andere Narkotika sowie Psychopharmaka. Auch beatmete Patienten werden manchmal nicht die ganze Zeit in tiefer Narkose gehalten, wenn möglich nur sediert (vgl. Richmond Agitation Sedation Scale).[3]
Durch Beobachtung, Patientenbefragungen und technische Überwachungs- und Untersuchungsmethoden ist das Bild immer differenzierter geworden, welche Leistungen des Gehirns während einer Narkose, gerade auch Dauernarkose, herabgesetzt werden: Wachheit (Vigilanz), Stress, Schmerzempfindung, Angst, motorische Reaktion, Erinnerung. Die meisten eingesetzten Medikamente beeinflussen mehrere Hirnleistungen, mit unterschiedlichem Schwergewicht.
Dabei gibt es nicht nur Unterschiede von Medikament zu Medikament, sondern auch in der Wirkung desselben Medikamentes auf verschiedene Patienten. So kann ein gut sedierter, aber durchaus nicht komatöser Patient bei Behandlungsmaßnahmen kooperieren, ohne sich anschließend an irgendetwas zu erinnern (Amnesie), ein bewegungslos und ohne vegetative Stresszeichen im Bett liegender Patient sich nachher an zahlreiche Einzelheiten erinnern, ein dritter trotz hoher Dosen an Beruhigungs- und Schmerzmitteln zwar nicht ansprechbar, aber motorisch unruhig sein.
Wachkoma
Hierbei handelt es sich um eine schwere Hirnschädigung, bei der die Funktion des Großhirns stark beeinträchtigt, teilweise ausgefallen oder sogar ganz erloschen ist. Daher wird sie auch als „apallisches Syndrom“ („ohne Hirnrinde“) bezeichnet. Die Lebensfunktionen werden – wie normalerweise auch – durch den Hirnstamm aufrechterhalten, die Patienten erlangen aber mangels kognitiver Funktionen nicht das Bewusstsein. Als Folge werden die Betroffenen zwar wach, können aber weder aktiv noch passiv in Kontakt mit der Umwelt treten. Fachlich exakt wird das Wachkoma als Persistierender Vegetativer Status (PVS) bezeichnet.
Wachkomapatienten haben, soweit das Großhirn nicht zu stark geschädigt ist, eine gute Prognose, wieder aufzuwachen. Entsprechendes wird weltweit immer wieder berichtet. Der Zeitraum kann jedoch – wie beim gewöhnlichen Koma auch – stark variieren: von wenigen Tagen bis hin zu etlichen Jahren. Durch geeignete Rehabilitationsmaßnahmen kann der Prozess erheblich unterstützt werden, insbesondere, wenn der Betroffene schon Anzeichen der Rückbildung des Komas zeigt.
Siehe auch
Literatur
- Manfred Stöhr, Thomas Brandt, Karl Max Einhäupl: Neurologische Syndrome in der Intensivmedizin. Kohlhammer, Stuttgart 1998, ISBN 3-17-014557-6.
- Wolfgang J. Bock, Christel Bienstein: Bewusstlos, eine Herausforderung für Angehörige, Pflegende und Ärzte. 2. Auflage. Selbstbestimmtes Leben, Düsseldorf 1994, ISBN 3-910095-20-8.
- Katharina Kluin: Tage im Koma. In: stern. Jg. 2014, Nr. 5, 23. Januar 2014, S. 78–83 (Sechs Menschen berichten von ihrer Zeit im Koma und von ihrem Erwachen daraus, darunter die Schriftstellerin Kathrin Schmidt).
Weblinks
Einzelnachweise
- Hugo van Aken: Intensivmedizin. Georg Thieme, Stuttgart/New York 2007, ISBN 978-3-13-114872-8 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 27. Mai 2016]).
- Ulrike Herrmann: Nur im Tiefschlaf. In: die tageszeitung, 16. Januar 2009.
- Hans-Walter Striebel: Analgosedierung beim (beatmeten) Intensivpatienten. In: Hans-Walter Striebel (Hrsg.): Operative Intensivmedizin. Schattauer, Stuttgart/New York 2007, ISBN 978-3-7945-2480-8, S. 6 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).