Dichter
Ein Dichter ist ein Verfasser von Dichtung im Sinne von sprachlicher und schriftstellerischer Kunst.
Der Dichter, der die gesamte Schaffensbreite von Lyrik über Kurzgeschichten und Erzählungen bis hin zum Schauspiel bzw. Theater beherrscht und damit Einfluss auf die Sprache und die Gesellschaft nimmt, wie es etwa in der klassischen Literatur um 1800 ausgeprägt war, ist eine Idealvorstellung, in der Wirklichkeit aber seltene Ausnahmeerscheinung.
Der Begriff fand im 18. und 19. Jahrhundert im Deutschen den Vorzug gegenüber dem des Poeten, der von da an für den belächelten Liebhaber von Versen stand, den „Kauz“, der keine Beachtung des modernen Marktes fand. Ihm gegenüber war der „Dichter“ der Autor hoher Literatur, der in Emphasen des Sturm und Drang, der Romantik und des Nationalismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zum Seher, Genie und, im herausragenden Fall, geistigen Führer der Nation stilisiert wurde. Textproduzenten ohne diesen Anspruch waren lediglich „Schriftsteller“, die von ihrem Schreiben im Sinne einer (handwerklichen) Berufsausübung lebten, während der Dichter am Ende anerkannt, von der Würdigung leben würde, die ihm die Nation zukommen ließ. Die Einrichtung von Dichterpreisen bzw. Dichterlesungen der Preußischen, heute Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung entspricht diesem Begriffsverständnis.
Im Laufe des 20. Jahrhunderts verlor der Begriff „Dichter“ an Rang gegenüber den Bezeichnungen „Autor“ und „Schriftsteller“. Dies resultierte aus einer Konzentration des literarischen Feldes auf publikumswirksame Sparten wie beispielsweise Romanliteratur, Kriminalliteratur, Bühnenliteratur und indirekt aus technischen Entwicklungen, die höhere und preiswerte Auflagen von Büchern (später auch die Verbreitung durch Rundfunk, Film und Fernsehen) ermöglichte – Formate, in denen die Persönlichkeit des Verfassers (im Unterschied zu klassischen Formaten des Vortrags und der Autorenlesung) in den Hintergrund trat. Weiter verwendet wurde der Begriff lediglich für Autoren von Gedichten und sprachlich anspruchsvollen Texten, die sich weitgehend außerhalb des (kommerziellen) Marktes bewegen; aber auch in dieser Verwendung ist er heute hauptsächlich bei historischen Autoren anzutreffen (etwa bei Rainer Maria Rilke, weniger schon bei Paul Celan und kaum noch bei Durs Grünbein).
Siehe auch
Weblinks
- Gunter E. Grimm: Dichterbilder. Strategien literarischer Selbstinszenierung. (PDF-Datei; 875 kB)