Anton Friedrich Justus Thibaut
Anton Friedrich Justus Thibaut (* 4. Januar 1772 in Hameln; † 28. März 1840 in Heidelberg) war ein deutscher Rechtswissenschaftler. Sein Bruder, Bernhard Friedrich Thibaut, war Professor für Mathematik in Göttingen.
Leben
Nach dem Studium an der Georg-August-Universität Göttingen, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und der Albertus-Universität Königsberg wurde Thibaut zunächst 1796 Privatdozent, 1798 außerordentlicher, 1801 schließlich ordentlicher Professor für römisches Recht in Kiel. Nach anschließender, kurzer Tätigkeit an der Friedrich-Schiller-Universität Jena wurde Anton Friedrich Justus Thibaut 1805 als Ordinarius für römisches Recht an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg berufen. Er war auch Richter an einem Obergericht in Frankfurt.
Thibauts Tätigkeitsschwerpunkt war die im hergebrachten römischen Recht gründende Pandektenwissenschaft. Diese wollte er für ein alle deutschen Staaten verbindendes, gemeinsames Gesetzbuch dienlich gestalten. Im wissenschaftlichen Disput über die Frage, ob es sich empfehle, das Zivilrecht, darüber hinaus auch noch das Straf- und Prozessrecht in Deutschland überhaupt zu kodifizieren – dem so genannten Kodifikationsstreit – stand er mit seiner befürwortenden Ansicht im Widerspruch zur Auffassung Friedrich Carl von Savignys, der die Voraussetzungen für die Schaffung eines solchen Gesetzbuches als nicht gegeben erachtete und stattdessen für ein organisches Voranschreiten der Rechtswissenschaft plädierte (in: „Vom Beruf unserer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft“, 1814). Die in Thibauts Schrift „Über die Nothwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts für Deutschland“ formulierte Forderung scheiterte in einer vom konservativen Partikularismus geprägten Zeit folglich, insbesondere aber aufgrund der Dominanz Savignys.[1] Thibaut war badischer Geheimer Staatsrat und Ehrenbürger Heidelbergs. Von 1805 bis 1807 und nochmals 1821 war er Rektor der Universität Heidelberg. 1819 wurde er als Vertreter der Universität Heidelberg Mitglied der Ersten Kammer der Badischen Ständeversammlung.[2]
In seinem 1824 erschienenen Werk „Über Reinheit der Tonkunst“ wandte er sich gegen angebliche Missbräuche in der Kirchenmusik und forderte eine Rückkehr zu „klassischen“ Komponisten wie Giovanni Pierluigi da Palestrina, Tomás Luis de Victoria und Orlando di Lasso. Dieses Werk fand weithin große Zustimmung und kann als eine Wurzel des Cäcilianismus gelten.
Am 28. März 1840 verstarb Anton Friedrich Justus Thibaut in Heidelberg, und am 1. April wurde auf dem St. Anna-Kirchhof in Heidelberg sein feierliches Leichenbegängnis mit akademischem Zeremoniell begangen.[3]
Nachdem der St. Anna-Kirchhof aus hygienischen Gründen aufgelassen werden musste, wurden die Gebeine Thibauts auf den Heidelberger Bergfriedhof umgebettet. Seit 1875 befindet sich Thibauts Grabstätte dort, in der Abteilung D, in der so genannten Professorenreihe. Die Grabstätte schmückt ein Maßwerk verziertes Kreuz, das auf einem Inschriften-Postament errichtet ist.[4]
Werke (Auswahl)
- System des Pandektenrechts, Erster Band, Jena, bey Johann Michael Mauke. 1803 Digitalisat
- Über die Notwendigkeit eines allgemeinen bürgerlichen Rechts in Deutschland, Heidelberg, bey Mohr und Zimmer. 1814 Digitalisat
- Ueber Vergleiche gegen rechtskräftige Urteile. In: Archiv für civilistische Praxis, Band 9, S. 301 ff.
- Ueber Reinheit der Tonkunst, Heidelberg, im Verlag von J. C. B. Mohr. 1825 Digitalisat
- Ueber Reinheit der Tonkunst. Zweyte, vermehrte Ausgabe. Heidelberg, im Verlag von J. C. B. Mohr. 1826.
Literatur
- Sérgio Fernandes Fortunato: Vom römisch-gemeinen Recht zum Bürgerlichen Gesetzbuch. In: Zeitschrift für das Juristische Studium. 4, 2009, S. 327–338 (Digitalisat).
- Christian Hattenhauer, Klaus-Peter Schroeder, Christian Baldus (Hrsg.): Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840). Bürger und Gelehrter. Tübingen 2017, ISBN 978-3-16-154996-0.
- Dörte Kaufmann: Anton Friedrich Justus Thibaut (1772–1840). Ein Heidelberger Professor zwischen Wissenschaft und Politik. Stuttgart 2014, ISBN 978-3-17-024944-8.
- Ernst Landsberg: Thibaut, Anton Friedrich Justus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 737–744.
- Rainer Polley: Anton Friedrich Justus Thibaut (AD 1772–1840) in seinen Selbstzeugnissen und Briefen. Band 1: Abhandlungen. Band 2: Briefwechsel. Band 3: Register zum Briefwechsel. Frankfurt am Main/Bern 1982, ISBN 978-3-8204-6039-1.
- Hermann Poppen: Anton Friedrich Justus Thibaut. In: Kurpfälzisches Museum (Hrsg.): Goethe und Heidelberg. Kerle, Heidelberg 1949.
- Joachim Rückert: Heidelberg um 1804 oder: die erfolgreiche Modernisierung der Jurisprudenz durch Thibaut, Savigny, Heise, Martin, Zachariä u. a. In: Friedrich Strack (Hrsg.): Heidelberg im säkularen Umbruch. Stuttgart 1987, S. 83–116.
- Joachim Rückert: Thibaut, Anton Friedrich Justus. In: Michael Stolleis (Hrsg.): Juristen. Ein biographisches Lexikon. München 1995, ISBN 3-406-39330-6, S. 610–612.
- Klaus-Peter Schroeder: „Vom Sachsenspiegel zum Grundgesetz“ – eine deutsche Rechtsgeschichte in Lebensbildern. Heidelberg 2002, S. 85–113.
Weblinks
- Literatur von und über Anton Friedrich Justus Thibaut im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von und über Anton Friedrich Justus Thibaut in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Klaus-Peter Schroeder: Anton Friedrich J. Thibaut und die „Hep-Hep-Unruhen“ des Jahres 1819 auf YouTube, abgerufen am 19. Juni 2019.
Einzelnachweise
- Uwe Wesel: Geschichte des Rechts. Von den Frühformen bis zur Gegenwart. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Beck, München 2006, ISBN 3-406-47543-4. Rn. 281.
- Eintrag bei der Encyclopaedia Britannica 1911 (aufgerufen am 18. August 2011)
- Frankfurter Konversationsblatt: Belletristische Beilage. Frankfurt am Main 1840, S. 388.
- L. Ruuskanen: Der Heidelberger Bergfriedhof im Wandel der Zeit, Verlag Regionalkultur, 2008, S. 127